Integration: „Verlockend, das auszuklammern“
Homosexualität muss festes Thema in den Lehrplänen werden, fordert Jörg Steinert vom LSVD.
taz: Herr Steinert, welchen Stellenwert hat das Thema Homosexualität momentan in deutschen Integrationskursen?
Jörg Steinert: In den Kursen ist alles sehr stark am Grundgesetz orientiert. Und da die sexuelle Identität noch nicht im 3. Artikel verankert ist, bleibt die Thematisierung Interpretationsfrage. Homosexualität kann bei den Aspekten gesellschaftliche Vielfalt oder Grundrechte angesprochen werden – kann aber auch völlig unter den Tisch fallen.
Bleibt es also ein Randthema?
Das kommt auf die Institution und die Lehrenden an. Und genau das ist das Problem. Es kann nicht sein, dass am Ende alles auf Einzelentscheidungen ankommt. Homosexualität muss als eigenständiges Thema fest in die Lehrpläne der Integrationskurse.
Was erzählen denn die Lehrer, die Homosexualität behandeln? Welche Erfahrungen machen sie damit?
ist Geschäftsführer des Lesben und Schwulenverbands Berlin-
Brandenburg e.V.
Viele Kursteilnehmer kommen aus Ländern, wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Oder aus Ländern, wo niemals darüber gesprochen wird. Wir wollen zeigen, wie gesellschaftliche Vielfalt gelebt werden kann und was der rechtliche Rahmen ist. Das ist für die Lesben und Schwulen aus vielen Ländern wichtig, damit sie konkret sehen, wie sie sich hier entfalten können. Es ist auch eine wichtige Sensibilisierungsmaßnahme für die Heterosexuellen aus diesen Ländern.
Nun haben Sie ein Arbeitsblatt veröffentlicht, auf dem vier grundsätzliche Fragen zu den Rechten homosexueller Menschen in Deutschland behandelt werden.
Das Blatt ist für den Orientierungskurs „Grundrechte und Familie“. Es informiert über die Rechte homosexueller Menschen in Deutschland und beantwortet Fragen wie: Können zwei ausländische Frauen heiraten? Oder kann ein ausländischer Mann einen deutschen heiraten?
Wie sind in den Kursen die Reaktionen auf solche Fragen?
Ich habe mal an einem Kurs teilgenommen: Es gab eine Hälfte, die vehement dagegen war. Und ein anderer Teil hat gesagt: Nein, genau wegen dieser freien Diskussion wollen wir in Deutschland leben. Natürlich ist es für die Kursleiter verlockend, das Thema auszuklammern. Aber genau für diese Diskussionen müssen die Kurse Raum bieten.
Ihr Angebot ist unverbindlich, bislang will nur die Albert-Einstein-Volkshochschule in Schöneberg damit arbeiten.
Wir haben absichtlich nicht groß und zentral angefangen, beispielsweise über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Stattdessen haben wir mit der Einstein-Schule zusammengearbeitet und das Blatt entwickelt. Jetzt wollen wir nach und nach an weitere Akteure herantreten und zeigen, dass es eine Notwendigkeit gibt. Wenn das wahrgenommen wird, dann wird sich auch über föderale Grenzen hinweg Interesse einstellen.
Warum kommen Sie eigentlich jetzt erst mit dem Vorstoß?
Das Arbeitsblatt ist so angelegt, dass es auch für Sprachunterricht verwendet werden kann. Es richtet sich eher an die Menschen, die erst seit Kurzem in Deutschland sind. An Menschen, die kaum Sprachkentnisse haben und für die deutsche Kultur und das deutsche Recht Neuland sind. Für Einwanderer, die schon lange hier leben, gibt es ja schon Material. Auch für Jugendliche haben wir recht umfangreiche Literatur.
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