Integration und Ehrenmord im "Tatort": Unter die Haube gedrängt
Ein Bremer "Tatort" über Zwangsehe und so genannten Ehrenmord in der besseren Gesellschaft (20.15 Uhr, ARD).
Die Familie ist arriviert, das Vokabular archaisch. "Eine gute Braut soll nach dem Beischlaf bluten", sagt die türkische Mutter zu ihrer Tochter, die schon bald den Sohn einer befreundeten Familie heiraten soll. Die Kormaz sind ein angesehener Unternehmerclan, doch bei der Familienplanung agieren sie nach ehernen Sitten. Den Termin für die Hochzeit haben die Eltern mit der Periode ihrer Tochter abgestimmt - damit deren Jungfräulichkeit für den Zukünftigen auch eindeutig nachzuprüfen ist.
Dass die aufsässige Schwester der Braut kurz zuvor ermordet worden ist, lässt den strengen Vater Kormaz (Erol Sander) nicht von den Feierlichkeiten abrücken, schließlich muss Arzu (Jennifer Ulrich) an den Mann gebracht werden. Dessen Verwandte sind schon aus der Türkei angereist, in einem Industriegebiet hat man eine Mehrzweckhalle für 1.000 Leute gemietet. Der Bau-Tycoon mit besten Verbindungen ins Bremer Rathaus hat alles hervorragend organisiert.
Zum vierten Mal innerhalb weniger Monate geht es in einem "Tatort" um Zwangsehe und Ehrenmord. Doch die beiden Autorinnen Thea Dorn und Seyran Ates - die eine als feministische Krimiautorin im Stoff, die andere als bekannteste Anklägerin islamischer Unterdrückungspraktiken - drehen das Thema noch mal weiter und führen die Problematik in Gesellschaftskreise, die als integriert gelten.
An Explizität und Brisanz ist "Familienaufstellung" (Regie: Mark Schlichter) deshalb nicht zu überbieten. Was allerdings fehlt, sind echte Figuren, denen man mit Ermittlerin Inga Lürsen (Sabine Postel) ins exemplarisch ausgeleuchtete Milieu folgen möchte. So bleibt am Ende das Gefühl zurück, es solle eben doch nur jene These vermittelt werden, die im Film stellvertretend für Autorin Ates eine kämpferische Rechtsanwältin aufsagt: "Man kann seine Tochter auch unter einem Designerkopftuch zwangsverheiraten."
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