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Integration II"Es geht um Rangordnung"

Die Perspektive der Minderheiten und ihre Lebenserfahrungen brauchen einen Platz im Diskurs, sagt die Rassismusforscherin Iman Attia.

taz: Frau Attia, Lehrer klagen über "Deutschenfeindlichkeit" an Schulen. Worum geht es dabei eigentlich?

Iman Attia: Es gibt eine Forschungsarbeit des Soziologen Jörg Hüttermann, die herausarbeitet, dass die derzeitigen interkulturellen Konflikte eigentlich Rangordnungskonflikte sind. Die erste Einwanderergeneration ist noch still, zurückhaltend gewesen, die zweite ist die der Kulturübersetzer und -übertrager. Die dritte weiß sehr genau um ihre Rechte, ihren Anspruch auf Teilhabe - und hat ihren Lebensmittelpunkt eindeutig hier. Sie nimmt Diskriminierung nicht mehr hin wie die Eltern und Großeltern, sondern gibt sie zurück. Das geschieht durchaus mit Erfolg, etwa im Kabarett, auch in Rap-Songs, aber eben auch durch Wut. Es spricht vieles dafür, dass dies hier der Fall ist. Die SchülerInnen geben ethnisierende Zuschreibungen, die sie erfahren und angenommen haben, zurück.

ist Professorin für Diversity Studies, Rassismus, Migration sowie Interkulturelle Sozialarbeit an der Alice-Salomon-Fachhochschule.

Warum erregt die Diskriminierung Deutscher durch Migranten viel mehr Aufmerksamkeit als der umgekehrte Fall?

Weil ihnen das Recht dazu abgesprochen wird. Werden Migranten beschimpft, werden sie tatsächlich als Problem wahrgenommen. Diskriminierung wird zur Tatsachenbeschreibung. Sarrazins Buch hat ja keine Rassismusdebatte, sondern eine Integrationsdebatte ausgelöst. Würde man das auf den jetzigen Fall übertragen, müsste man fragen: Was machen denn die deutschen Schüler falsch, dass sie beschimpft werden? Das zeigt, wie absurd das ist. Das ist eben ein hegemonialer Diskurs: Muslime, Einwanderer sind ein Problem, sind integrationsunwillig - dazu passt die angebliche Deutschenfeindlichkeit gut.

Wie kommen wir aus diesem Diskurs wieder raus?

Im Grunde nur über den Aufbau einer Gegenöffentlichkeit, bei der auch andere Perspektiven als die der Mehrheit Platz einnehmen können. Initiativen wie Kanak Attak versuchen das. Aber es ist schwer, öffentlich Gehör zu finden.

Sie forschen und lehren auch über Qualitätsentwicklung in der Bildung: Brauchen Lehrer Hilfe? Welcher Art?

Sie brauchen Fort- und Weiterbildungen, um zu verstehen, was da an den Schulen passiert, um die Lebensverhältnisse, in denen ihre Schüler stecken, nachvollziehen zu können. Dabei darf es nicht um Herkunftskulturen gehen, sondern um ihr Leben hier: Warum sie so perspektivlos sind, sich in der dritten, vierten Generation immer noch als Ausländer begreifen, sich als Muslime titulieren müssen. Das hängt ja mit dieser Gesellschaft zusammen, nicht mit der Türkei. Es muss aber auch das System Schule und sein gesellschaftlicher Kontext überarbeitet werden: Was wird hier für ein Nationenverständnis entwickelt, welcher Platz wird wem zugewiesen, wer ist berechtigt mitzureden, wer wird nur geduldet. Da kann Pädagogik allein Politik nicht ersetzen.

INTERVIEW: ALKE WIERTH

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8 Kommentare

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  • AW
    Alke Wierth

    @Daniel Gyamerah und Omar

    Bei der von Iman Attia erwähnten Studie handelt es sich um einen Aufsatz von Jörg Hüttermann. Er ist erschienen in dem Buch "Wider den Kulturenzwangt. Migration, Kulturalisierung und Weltliteratur" (Hrsg: Ezli, Kimmich, Werberger; transcript-Verlag, Bielefeld, 2009)

     

    Grüße aus der taz

    Alke Wierth

  • H
    hf_ullmann

    ich bin nicht nationalistisch, ich bin nicht rassistisch,

     

    ich bin aber auch nicht antideutsch ..

  • O
    Omar

    Vielen Dank für das informative Interview. Ich kann Frau Attia nur zustimmen, wenn es um die Gegenöffentlichkeit geht und da kann eine Tageszeitung natürlich auch viel beitragen. Ich würde aber auch Herrn Gyamerah voll zustimmen, der fordert, dass genannte Forschungen/Studien/Quellen genauer benannt werden. Darauf kann man in Interviews ja ruhig bestehen. Wenn die taz das vormacht, käme vielleicht das ein oder andere Medium auch darauf, dies nachzumachen. Das wäre nur von Vorteil!

     

    @Willy: Sie scheinen nicht verstanden zu haben, was Frau Attia mit dem Vergleich angestrebt hat. Mitnichten ist sie der Meinung, dass man die Schuld für Beschimpfung bei den Beschimpften, sondern sie zeigt auf, wie das bei Muslimen/Migranten funktioniert: Die "Deutschen" haben Angst vor Muslimen, ergo sind die Muslime schuld! So läuft doch die Diskussion.

  • W
    Willy

    "Was machen denn die deutschen Schüler falsch, dass sie beschimpft werden?"

     

    Ja natürlich, den muslimischen Schülern irgendwelche unschönen Motive zu unterstellen wäre ja auch blanker Rassismus.

     

    Jeder mach sich lächerlich so gut er kann.bahn

  • DG
    Daniel Gyamerah

    Ich schlage der taz-Redaktion vor, dass bei jedem Artikel, der "ein Gutachten" oder eine "Forschungsarbeit" erwähnt, angegeben wird, wie diese Quelle genau heißt bzw. wo sie zu finden ist.

     

    Ich interessiere mich beispielsweise für "Es gibt eine Forschungsarbeit des Soziologen Jörg Hüttermann,"....leider habe ich jedoch nicht die Möglichkeit 1. die Quelle kritisch zu prüfen oder 2. sie zur Vertiefung / zum Verständnis zu lesen, wenn ich nicht weiß auf welche Arbeit sich die Dame bezieht.

     

    Als eine der fortschrittlichsten Tageszeitungen Deutschlands, fände ich es angebracht, wenn die taz einen Schritt nach vorne wagt, und zumindest alle verwendeten bzw. zitierten "wissenschaftlichen" Quellen genau benennt (Name des Autors und der Publikation,Zeitschrift/Forschungsinstiut und Jahr etc.)

  • L
    Labdakos

    @Hatem:

    Und auch hier haben Sie nicht ganz durchdrungen, was das eigentliche Problem ist. Ihnen scheint das Gespür für das Wesen von Form und Inhalt abzugehen. Frau Attia sagt es doch klar: es handelt sich um Machtverteilungsprobleme. Verständlicherweise geben sich die problematisierten Jugendlichen nicht mit ihrer zugeschriebenen und teils tatsächlichen Rolle als Verlierer zufrieden (Form).

    Die Frustration wird in Wut übersetzt, die sich wie so häufig auf das am aus der Lebenswirklichkeit leichtesten greifbare Objekt richtet; hier sind es offenbar "die Deutschen" (Inhalt). Der Inhalt ist dabei fast völlig variabel, die Form jedoch nahezu beständig. Das ist ja das perfide am Rassismus: dass er beliebig projizierbar ist. Auch hier empfehle ich Ihnen die aufmerksame Lektüre des Artikels von Posor/Meyer.

  • R
    RedPerry

    Lehrer und Lehrerinnen haben alle Kinder zu schützen, die gemobbt werden - egal woher sie kommen! Diese Rassismusforscherin legitimiert mit Taz Hilfe auch noch die Verrohung: Die Täter sind Opfer, die ihren legitimen Protest ausdrücken! Indem sie einen Mitschüler beschimpfen oder angreifen! Frecherweise wird hier so getan, als ob in Berlin kein besonders sensibles Klima für Migranten existiere und eben nicht viele Schule stark migrantisch geprägt seien!

     

    Das ist Taz Logik: Es geht nicht um die Tat, sondern um die falschen und richtigen Tätergruppen! Ekelhaft

  • H
    Hatem

    Das macht einen echt sprachlos:

     

    Nicht die Eltern sind schuld am rassistischen Verhalten ihrer Kinder gegen deutsche Kinder, sondern die Gesellschaft und die Lehrer und die Deutschen überhaupt.

     

    Rassismus ist nicht Rassismus, sondern Einfordern von "Anspruch auf Teilhabe."

     

    Neusprech vom Feinsten.