Insolvenz von Woolworth: Auf den Wühltisch gekommen
Die Billigkaufhauskette mit 11.000 Beschäftigten meldet Insolvenz an. Das Geschäft läuft nicht, die Kunden gehen lieber zu Aldi oder MacGeiz. Und jetzt bleiben auch noch die Kredite aus.
Die Kaufhauskette Woolworth hat am Dienstag in Frankfurt einen Insolvenzantrag gestellt. Verwalter des Antrags wird der Anwalt Ottmar Hermann, der seit vergangener Woche auch die Abwicklung des insolventen Cabrio-Herstellers Karmann betreut. Von der Pleite sind 11.000 Mitarbeiter betroffen in mehr als 300 deutschen Woolworth Filialen.
Bei "Wuhle" oder"Wollwort" wie der fürs deutsche Kaufpublikum schwer aussprechbare Konzern hieß, gab man sich bis vor kurzem optimistisch. Marketing-Chef Henning Ritter hatte noch im Februar im Wirtschaftsmagazins BrandEins verkündet, man habe keinen Grund zu klagen. Schlechte Zeiten seien gute Zeiten für das Kaufhaus Woolworth, da man "günstig, aber nicht ramschig" sei.
Doch Ritter irrte. Die Krise wurde zum Problem: Denn das Unternehmen ist schon seit Jahren finanziell angeschlagen und mit der Bankenkrise wurde es nun noch schwieriger an die überlebensnotwendige Kredite zu kommen. Und mehr Käufer kamen auch nicht.
Die Kaufhauskette Woolworth konzentrierte sich im Gegensatz zu Karstadt oder Kaufhof auf ein reduziertes Angebot zu niedrigem Preis in kleineren Kaufhäusern. Billig-Textilien, Haushalts- und Schreibwaren oder Süßigkeiten zählten zu den wichtigsten Artikeln. Doch schon seit langem gibt es diese Waren auch in anderen Läden billig - etwa bei den Discountern wie Aldi und Lidl, bei den Drogerieketten wie Rossmann und DM oder bei Mäc Geiz und Co. In diesem Wettbewerb konnte die Kaufhauskette auch deshalb nicht mithalten, weil ihre Warenhäuser deutlich höhere Kosten verursachten. Woolworth hatte im Vergleich zu den neueren Billiganbietern mehr Personal und größere Läden, für die sie mehr Miete und Unterhaltskosten zahlten.
Viele halten das Modell Kaufhaus mittlerweile für veraltet. Schließlich kämpft auch der Arcandor-Konzern seit Jahren mit seiner Kaufhaus-Sparte Karstadt und überlegt, staatliche Unterstützung zu beantragen. Arcandor hatte sich erst 2007 von der Kaufhauskette Hertie getrennt, die dann im Juli 2008 Insolvenz anmelden musste.
Auch Woolworth war in Deutschland schon mehrfach das Aus prophezeiht worden. Die deutsche Tochter war 1998 an einen Finanzinvestor verkauft worden. Von der amerikanischen Muttergesellschaft ist mittlerweile nur noch die Schuhkette Foot Locker übrig; die britische Tochter war im November 2008 pleite. Auch der Finanzinvestor schaffte es nicht, schwarze Zahlen für Woolworth Deutschland zu schreiben.
Einem Finanzinvestor folgte der nächste: Ende 2007 wurde das operative Geschäft an den Investor Argyll verkauft und ein Teil der Immobilien an den Investor Ceberus. Woolworth Deutschland Chef Robert Brech strich, wo er konnte. Über 1000 Arbeitsplätze fielen bereits weg, Filialen wurden umgebaut, die Lieferantenzahl reduziert und das Sortiment gekürzt.
Diese Maßnahmen griffen anscheinend nicht. Zwar hoffte Brech zuletzt für das Geschäftsjahr 2008 noch mit einen Umsatz von 900 Millionen Euro. Doch Zahlen veröffentlichte der Konzern nicht. Brech wurde zum 1. März vom ehemaligen Lidl-Manager Stefan Rohrer abgelöst und blieb als Berater im Unternehmen. Der neue Chef warf jedoch nach nur vier Wochen das Handtuch. Die Hintergründe des schnellen Abtritts blieben unbekannt. Zwar hat das Frankfurter Insolvenzgericht noch nicht entschieden, doch ist es unwahrscheinlich, dass der mehr als 80 Jahre alte Konzern sich noch einen neuen Chef suchen muss. Wie es mit den 11.000 Woolworth Beschäftigten in Deutschland weitergeht, ist offen.
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