Insolvenz der AWO: Arbeiterwohlfahrt ist nur ein bisschen pleite
Trotz Insolvenz können die Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt Berlin weitermachen, sagt der Insolvenzverwalter. Die Häuser hätten genug Liquidität. Die Löhne der Mitarbeiter sind vorerst gesichert.
Die Einrichtungen des insolventen Berliner Landesverbands der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und seiner Tochtergesellschaften können vorerst weitermachen wie bisher. Das hat der vom Insolvenzgericht eingesetzte Gläubigerausschuss einstimmig beschlossen. "In den einzelnen Einrichtungen ist genügend Liquidität vorhanden. Sie sind operativ gesund", sagte der Insolvenzverwalter, der Rechtsanwalt Joachim Voigt-Salus, am Dienstag. Die Löhne der Mitarbeiter seien bis einschließlich Januar gesichert.
Die AWO Berlin musste in der vergangenen Woche Insolvenz anmelden. Mit 35 Millionen Euro Schulden steht der Landesverband bei den Banken in der Kreide. Grund dafür sind laut Voigt-Salus vor allem Darlehen, mit denen in den 80er Jahren Kliniken und Pflegeheime gebaut wurden. Geringe Tilgungen und eine negative Entwicklung des Immobilienmarkts hätten zur Überforderung der AWO Berlin geführt, so seine Einschätzung.
Der Landesverband und seine Tochtergesellschaften, die ein Krankenhaus in Neukölln und Seniorenheime betreiben, haben knapp 1.000 Mitarbeiter. Sie verzichten bereits seit Jahren auf fünf Prozent ihres Monatsgehalts sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die AWO pro Mensch-gGmbH mit ihren Kitas und Angeboten in der Jugend- und Behindertenhilfe ist nach AWO-Angaben aufgrund ihrer finanziellen Eigenständigkeit nicht von der Insolvenz betroffen. Das gelte auch für die AWO-Kreisverbände, mit denen es keine relevanten rechtlichen und finanziellen Verflechtungen gebe, erklärte Voigt-Salus. Er schloss Folge-Insolvenzen aus. "Es wird keinen Domino-Effekt geben."
Die AWO Berlin habe schon in der Vergangenheit Gebäude und Grundstücke veräußert, um die Forderungen der Banken zu bedienen, berichtete der Landesgeschäftsführer Hans-Wilhelm Pollmann. Wie viel die Organisation jetzt noch in der Lage ist zu zahlen, konnte der Insolvenzverwalter noch nicht abschätzen. Denkbar sei, dass ganze Einrichtungen verkauft werden. Pollmann ergänzte, eine andere Möglichkeit bestehe darin, Grundstücke und Gebäude zu veräußern und dann zurückzumieten. Voigt-Salus sagte: "Ich bin guter Dinge, dass wir Mitte nächsten Jahres sagen können, wo die Reise bei den Einrichtungen hingeht."
Noch in dieser Woche stehen laut Pollmann Gespräche mit dem Senat an. Dabei soll es um Zuwendungen der Senatsverwaltung gehen, die mit der Insolvenz gestoppt wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe