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Ins Loch gefallen

■ Kaum ins All geschossen, ist der neue TV-Satellit "Astra 1D" eigentlich schon technisch veraltet

Ursprünglich wollten seine Eltern die Generation mit einem pflegeleichten Nesthäkchen abschließen, doch kaum geboren, erweist sich der Nachkömmling als Problemkind. „1D“, jüngster Sproß der Familie Astra, sollte der letzte Fernsehsatellit vor Eintritt in die nächste Generation sein, die auch die digitale genannt wird.

Doch bevor im Herbst ihr digitaler Erstgeborener namens „Astra 1E“ das Licht des Weltraums erblickt, haben die Eltern – die luxemburgische SES, von Beruf Satellitenbetreiber – nun jede Menge Probleme mit dem erst seit Februar strahlenden letzten Säugling der analogen Generation.

Nur etwa jeder vierte auf die Astrafamilie fixierte TV-Haushalt kann Astra 1D, über den in Deutschland zum Beispiel der Kulturkanal arte zum ersten Mal ohne Kabelanschluß zu sehen ist, ohne Umrüstungen empfangen. Für die übrigen sechs Millionen Astra-Hörigen, die ihre Schüssel vor 1992 gekauft haben, heißt es: Einheitsrauschen. Es sei denn, sie investierten noch einmal kräftig – in veraltete analoge Technik. Denn allein ein neues Empfangsgerät und ein neuer Signalumwandler können wirkliche Abhilfe schaffen, erläutert ein Experte vom Fachhandelsgeschäft Media Markt in Ingolstadt. „Da kann man sich gleich eine komplett neue Anlage anschaffen.“

Wie viele Verbraucher sich den einen oder den anderen Luxus überhaupt leisten werden, steht aber in den Sternen. Schließlich beginnt im Herbst – wie gesagt – die digitale Generation, und dieser Quantensprung hin zu 180 Programmen wird wiederum nicht ganz billig sein. Die benötigten digitalen Empfangsdecoder werden im August auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin vorgestellt und sollen dann rund 1.200 Mark kosten.

Damit die Zuschauer jetzt noch mal für den Empfang des letzten analogen Satelliten Geld ausgeben, müßte schon das Programmangebot besonders zum Kauf reizen. Doch von Kanalvielfalt ist auf Astra 1D keine Spur, im Gegenteil: Derzeit muß Astra sogar mitansehen, wie gleich zwei geplante Programme ihr Problemkind wegen zu geringer Zuschauerreichweite überstürzt wieder verlassen.

Eins davon ist Super RTL, ein Spartenkanal, der schon angekündigt hat, sich voraussichtlich in „Disneykanal“ umzubenennen – mit entsprechenden Programmen. Der zweite Abtrünnige, der schnell den unattraktiven Programmplatz (im Fachjargon „Transponder“ genannt) auf dem 1D gegen einen auf dem alten Astra 1A tauschte, heißt Kabel 1 (ehemals „Kabelkanal“). Tauschpartner ist der Schweizer Abonnenten-Sender Teleclub, der nur rund 4.000 Satellitenkunden vergrätzen kann und dem angeblich „Millionenbeträge“ (so Geschäftsführer Karl-Heinz Jungbeck) gezahlt wurden. Doch der Teleclub gehört Leo Kirch, Kabel 1 zum kleineren Imperium von dessen Sohn Thomas (Pro 7), und so werden manche zweifeln, ob da wirklich Geld fließt.

Einfacher hat es der RTL-Betreiber, die luxemburgische CLT. Im Gegensatz zu den Kirchs kann sie die Senderverbindung offen zugeben und Super RTL problemlos mit RTL 5, einem holländischen Pay-Kanal, tauschen lassen. Als deutschsprachiges TV-Programm bleibt derzeit auf dem Astra 1D nur der Kulturkanal arte übrig, der ohne Familienbeziehungen froh sein darf, nach etlichen Beschwerden überhaupt noch einen Platz abbekommen zu haben.

Auf dem 1D würde auch gern „Kabel Plus“ landen, ein Gemeinschaftsprojekt von Kabel 1 mit den Verlagen Burda und Langenscheidt, vornehmlich für die älteren Zuschauer gedacht. Betreut wird es von Focus-Chef Helmut Markwort. Doch dessen Chancen auf eine Lizenz sind erheblich gesunken, nachdem die Mehrheit der Landesmedienanstalten Bedenken geäußert hat – eben wegen der Verbindung zur schon üppig mit Sendern ausgestattenen Kirch-Familie. Ansonsten sind für Astra 1D nur noch zwei geplante Sender der Kirch-Familie gebucht: der Shopping-Kanal H.O.T. und ein „Beta- Spartenkanal“, dessen Inhalte noch nicht definiert sind. Doch möglicherweise werden beide ohnehin auf einen digitalen Satellitentransponder wechseln (von denen es auf Astra 1D immerhin vier gibt).

Wohl nicht umsonst haben sich beide Veranstalter beim Bayerischen Pilotprojekt für digitale TV- Dienste beworben. Und die benötigten digitalen Satellitenkanäle könnte sich die Kirch-Familie dann mit einem anderen Medienmogul teilen: Rupert Murdoch hat dafür genügend Plätze gebucht. Und mit dem hat der Kirch-Sender Pro 7 ohnehin schon ein gemeinsames Unternehmen namens Selco gegründet: für die Abonnentenbetreuung von digitalen Radiodiensten. Sollten sich Kirch und Murdoch tatsächlich gemeinsam gleich auf die ersten digitalen Plätze stürzen, dann könnte arte auf den veralteten analogen Astra-1D-Kanälen das Licht ausmachen. Klaus Rautenberg

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