Innovatives Biokonzept: Politischer Einsatz steigert den Umsatz
Engagement gegen Gentechnik, Diskussionsabende im Laden, Kontakt zu Erzeugern: Das Biogeschäft "Grünbär" in Bernau setzt auf die alten Werte der Ökobewegung.
Wer im "Grünbär" Mandeln von Rapunzel kauft, stößt auf das, was dieses Biogeschäft in der Brandenburger Kleinstadt Bernau ausmacht: Auf dem Regal mit den Trockenfrüchten steht eine Sperrholztafel, ausgesägt in Form von Maispflanzen und bemalt. Dahinter hängt ein Schild mit der Aufschrift "Gentechnikfreie Zone", davor liegen Postkarten gegen gentechnisch veränderten Mais, eine Broschüre "Dossier Agro-Gentechnik" und eine Unterschriftenliste. "Klar ist das politisch", sagt Beate Gollnast, die den Laden gemeinsam mit ihrem Freund Karsten Molzahn führt. "Das Thema Genfood ist ja sehr lebensnah und dicht am Einkaufen dran. Aber wir wollen auch politisch sein."
Während der Markt für ökologisch angebaute Lebensmittel insgesamt weiter wächst, stecken viele unabhängige Biofachgeschäfte in der Krise: Erstmals seit über fünf Jahren gingen dort die Umsätze im zweiten Quartal zurück. Auch für das dritte Vierteljahr bis Ende September hat Marktforscher Klaus Braun einen Rückgang um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal ermittelt. Branchenexperten nennen als Grund vor allem die Konkurrenz durch konventionelle Supermarktketten und Discounter, die Ökoprodukte billiger verkaufen können. Kleine Läden sind besonders unter Druck, weil sie mangels Platz nicht so viel Auswahl anbieten oder die Produkte nicht so ansprechend präsentieren können. Doch es gibt eine Reihe von Bioläden, die sich dem Abwärtstrend erfolgreich widersetzen. Ihr Konzept ist so einzigartig, dass sie trotz Billigkonkurrenz überleben. Die taz stellt solche innovativen Geschäfte und ihre Macher ab heute in einer Serie vor. JMA
Solche Sätze wurden in der Biobranche spätestens dann selten, als Konzerne wie Aldi oder Rewe Produkte mit dem Ökoetikett in ihr Sortiment aufnahmen. Dabei ist Gollnast keine frustrierte Ökopionierin und Alt-68erin, deren Kunden zu großen Supermärkten abwandern. Die Ladeninhaberin trägt zwar eine weite Leinenhose und breite Schuhe und entspricht damit wohl dem Klischee, das viele von Umweltbewegten haben. Aber sie ist erst 30 Jahre alt, lacht viel, und ihr Geschäft nimmt seit der Gründung vor drei Jahren stetig mehr ein - obwohl auch in Bernau konventionelle Ketten Bio verkaufen. Dafür zeichnete die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) den Grünbären dieses Jahr mit ihrem Biohandelspreis "Selly" in Silber aus.
Erreicht haben Gollnast und Molzahn das mit einem Konzept, das manchem als veraltet gilt: weg von rücksichtslosem Kommerz, zurück zu den ursprünglichen Werten der Biobewegung wie Umweltschutz und Individualität. "Die persönliche Kundenansprache ist superwichtig", sagt Gollnast. Wie das funktioniert, zeigt sich, wenn Kunden wie Eduard Mader in den Laden kommen: Der pensionierte Ingenieur fragt beim Bezahlen nach neuen Aktionen gegen Gentechnik in der Region. Gollnast und Molzahn sind da gut informiert, weil sie selbst aus der Umweltbewegung kommen. Sie hat Umweltwissenschaft studiert und unter anderem bei der Naturschutzjugend mitgemischt. Er ist Soziologe und in einem Aktionsbündnis gegen Gentechnik aktiv. Dadurch sind sie für Leute wie Mader besonders glaubwürdig, der Gewissheit will, "dass mein Essen ohne Gendreck und Konservierungsmittel" ist.
Zur Kompetenz trägt auch bei, dass die beiden Geschäftsleute mehrmals im Jahr in ihrem Laden Diskussionen etwa zur Privatisierung der Wasserversorgung veranstalten. An einer Prospektwand links neben dem Eingang stecken nicht nur Flugblätter von Heilpraktikern, sondern auch Infos zum biologischen Landbau. "Aber das ist kein Missionieren, was wir machen", meint Gollnast. "Wir drängen unsere Informationen niemandem auf, sondern die Leute fragen uns."
Auch physisch bietet der 120 Quadratmeter große Laden genug Platz, um sich nicht bedrängt zu fühlen. Anders als in vielen Bioläden alter Prägung sind die Gänge zwischen den Regalen so breit, dass auch zwei Kunden mit Einkaufskörben gleichzeitig durchpassen.
Und der Grünbär macht Spaß: Das Geschäft organisiert auch Feste mit Bauern und anderen Lieferanten aus der Region. In der Bistroecke zischt die Espressomaschine, viele Bernauer treffen sich dort auf einen Kaffee, selbst wenn sie gar nicht einkaufen wollen. Frische ist Gollnast und Molzahn so wichtig, dass sie auch schon mal den Erzeuger wechseln, wenn die Qualität nicht stimmt. Südfrüchte führen sie trotz Klimabewusstsein und Streben nach Regionalität. Nur in einem Punkt geben sie auf keinen Fall nach: "Wir sind überzeugte Nichtraucher und wollen das Rauchen auf keinen Fall fördern", erzählt Gollnast, "Deshalb bieten wir keinen Tabak an, selbst wenn er bio sein sollte."
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