Initiative aus dem Senegal: Afrika soll Haitianer aufnehmen
Die Afrikanische Union berät einen Vorstoß Senegals, die haitianischen Erdbebenopfer nach Afrika "zurückzuholen". Die Vorfahren vieler Haitianer waren als Sklaven verschleppt worden.
Afrika kümmert sich nicht nur um sich selbst: Diese Botschaft soll, wenn es nach dem Willen des senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade geht, vom Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) ausgehen, dessen Schlußteil am Sonntag begann und am Dienstag zu Ende geht.
AU-Kommissionsvorsitzender Jean Ping erklärte gestern, die Staatschefs würden einen Antrag des 81jährigen Wade beraten, die Rücksiedlung der Haitianer nach Afrika zu beschließen. "Aus einem Gefühl des Erinnerns und der Solidarität wollen wir die Idee des senegalesicshen Präsidenten Abdoulaye Wade voranbringen, in Afrika die Bedingungen für die Rückkehr von Haitianern zu schaffen, die zurückkehren wollen", sagte der Gabunese Ping. Haiti stehe für den Freiheitskampf der Schwarzen.
Wade hatte am Samstag erklärt: "Die Menschen und die Regierung Haitis müssen sagen, was sie wollen: zuhause bleiben und um Hilfe rufen, oder nach Afrika zurückkommen." Er forderte ein afrikanisches Adoptionsprogramm für haitianische Waisenkinder und ein Recht auf Einbürgerung.
Haitis Bevölkerung besteht zum großen Teil aus Nachkommen ehemaliger westafrikanischer Sklaven, Haiti wurde 1804 als unabhängiger Staat im Zuge einer Sklavenrevolte gegründet. "Diese Bevölkerung hat genau so ein Recht auf den Boden Afrikas wie wir", erklärte Wade bereits letzte Woche auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. "Es geht um die Rückkehr in das Land ihrer Geburt." Er verwies auf das Beispiel Liberia, das 1830 von aus den USA nach Afrika zurückgeschickten schwarzen Sklaven gegründet wurde.
Solche Ideen kommen in Westafrika immer wieder hoch: Ghana zum Beispiel bietet nach israelischem Muster jedem Schwarzen der USA das "Recht auf Rückkehr" und auf die ghanaische Staatsbürgerschaft an.
Haitis verheerendes Erdbeben vom 12. Januar mit mindestens 170.000 Toten hat quer durch Afrika eine Welle des Mitleids und der Solidarität heraufgerufen. Gerade in ehemaligen Bürgerkriegsländer können sich viele Menschen mit der Situation der Überlebenden in den Trümmern von Port-au-Prince gut identifizieren.
Und endlich einmal, so ist in vielen afrikanischen Kommentaren zu lesen, könne der Kontinent selbst einmal anderen helfen, statt nur die Hand aufzuhalten. Das bitterarme Liberia kündigte Hilfen von 50.000 Dollar an, Ruanda 100.000, Tschad 500.000, Senegal eine Million und die Demokratische Republik Kongo sogar 2,5 Millionen Dollar. Senegals Präsident Wade bot Haitis Erdbebenopfern schon wenige Tage nach der Katastrophe an, sich in Senegal niederzulassen. Außerdem kündigte er einen Gesetzentwurf an, wonach Senegalesen einen Solidaritätsbeitrag in Höhe von drei Tageslöhnen für Haiti zahlen sollen.
Wades Aktivismus stößt in Senegal eher auf Skepsis, zumal senegalesische Opfer von Naturkatastrophen wie die jüngsten Überschwemmungen in der Hauptstadt Dakar vergeblich auf staatliche Hilfe warten. Wade schaffe es seit fünf Jahren trotz mehrfacher Einladungen nicht, nach Haiti zu reisen, also sollten nun die Haitianer zu ihm kommen, lästerte der Publizist Pathé Mboje in der Tageszeitung "Wal Fadjri". Ein Blogger schrieb: "In Dakars Vorstädten hat die Hälfte der Bevölkerung höchstens eine Mahlzeit am Tag. Die Haitianer träumen nicht von Senegal. Sie träumen vom Westen."
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