Ingenieurin über Wasser und Toiletten: „Die Fliegen sind ein Problem“
Während mehr Menschen Zugang zu Trinkwasser haben, fehlen weiterhin Toiletten. Ariane Krause von Ingenieure ohne Grenzen erklärt, was das für Menschen in Tansania bedeutet.
taz: Frau Krause, Sie bauen gerade ein Sanitärprojekt in Tansania auf. Was haben die Menschen dort von Konferenzen wie dem laufenden Weltwasserforum?
Ariane Krause: Zumindest was den Sanitärbereich angeht, sind wir trotz aller Konferenzen weit davon entfernt, dass alle Menschen Zugang zu angemessener Versorgung haben. Leider ist Entwicklungszusammenarbeit oft so gelagert, dass die Wirtschaft der Industrienationen quersubvenioniert wird. In Äthiopien wurden etwa von deutschen Ingenieuren Luxus-Toiletten, die Kot und Urin trennen, mit Materialien aus Deutschland gebaut. Aber die Äthiopier wurden weder beim Bau noch bei der Planung einbezogen, sodass die Toiletten nach Abzug der Ingenieure nicht mehr benutzt wurden.
Laut UN hat sich die Zahl der Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser seit 1990 halbiert. Beim Zugang zu sanitären Anlagen sieht es schlechter aus. Was heißt das für die betroffenen Menschen?
Vom Gestank mal ganz abgesehen, hat die mangelnde sanitäre Versorgung hier in der Region Kagera auch direkt Einfluss auf Grund- und Oberflächenwasser. Die meisten Leute haben eine Latrinentoilette ohne Fundament, das die Exkremente verlässlich birgt. Schaut man auf den Kagera-Fluss, der die Region durchfließt, sieht man nur noch ein Drittel Wasserfläche, der Rest ist wegen Fäkalien und Abwässern komplett mit Algen bedeckt. Da die Menschen es als Trinkwasser nutzen müssen, gehen die Krankheitserreger direkt in die Nahrungskette ein. Ein weiteres Problem sind die Fliegen, die von den Latrinen aus in die Wassertanks fliegen.
30, ist studierte Wirtschaftsingenieurin und engagiert sich seit 2009 bei Ingenieure ohne Grenzen in Berlin. Seit Januar baut sie in Tansania eine Trockentoilette auf.
Das betrifft in Tansania laut UN knapp 92 Prozent der Bevölkerung. Was muss passieren?
Ein großes Hemmnis ist die Armut. Die Bauern hier in Kagera haben ein durchschnittliches Jahreseinkommen, das unter 400 US-Dollar liegt. Davon müssen sie ihre Familien ernähren und bestenfalls Schulgeld zahlen. Selbst wenn eine Toilette günstig ist, verzichten die Menschen am ehesten auf diese Investition. Deshalb müssen Konzepte her, bei denen die sanitäre Versorgung auch Geld für die Bevölkerung bringt.
Diese Strategie verfolgen Sie auch mit dem Trockentoilettenprojekt in der Region Kagera. Was machen sie genau?
Uns war wichtig, dass wir nicht nur die sanitäre Situation verbessern, sondern auch die Lebensgrundlage der Menschen einbeziehen. Sie leben hier meist von Landwirtschaft. Deshalb ist für sie unser Konzept interessant, an die Toiletten einen Ofen anzuschließen und die Fäzes zu ökologischem Dünger zu verarbeiten. Durch Zugewinne auf ihren Feldern können sich die Bauern später selbst leisten, nachhaltige Toiletten-Anlagen zu bauen. Langfristig wollen wir ein Geschäftsmodell für die Farmer entwickeln: die Fäkalien werden im Dorf zentral an einer Stelle gesammelt, kompostiert und später als Dünger wieder ausgegeben.
Wie arbeiten Sie konkret mit den Leuten vor Ort zusammen?
In dem wir an Wissen und Arbeitsmaterialien vor Ort anknüpfen. Wir arbeiten in Kagera mit dem ökologischen Bauernverband Mavuno-Project. Die Bauern dort wissen sehr viel über nachhaltiges Bodenmanagement. Wir bauen jetzt als Pilotprojekt eine Toilette, einen Ofen und eine Kompostanlage. Dabei werden zwei lokale Arbeitskräfte ausgebildet, die ab Mai die Wartung übernehmen und Fortbildungen für die lokale Bevölkerung anbieten.
Können sich die Tansanier also allein helfen?
Ja. Ich habe hier viel über Nährstoff- und Kohlenstoffkreisläufe gelernt. Und in Organisationen wie etwa Wepmo setzen Studienabsolventen des technischen Umweltschutzes schon seit Jahren selbst Konzepte für Trenntoiletten um. Auch an tansanischen Universitäten forschen Professoren zum Thema. Aber es braucht noch Öffentlichkeitsarbeit. Der Umgang mit Fäkalien ist eben nicht attraktiv.
Ist ein Umschwung absehbar?
Ja. Es wird zwar noch 30 Jahre dauern, bis es hier eine flächendeckende sanitäre Versorgung geben wird. Aber wenn jetzt Bauern, Schüler, Lehrer, Studenten und Politiker das nötige Wissen erlangen, gibt es eine Perspektive.
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