Ingeborg-Bachmann-Preis: Konfrontationswille wünschenswert
14 Autoren lesen um die Wette, sieben Juroren streiten, doch niemandem ist richtig bange. Am Mittwoch werden in Klagenfurt die 33. Tage der deutschsprachigen Literatur eröffnet.
Wenn Mittwochabend die 33. Tage der deutschsprachigen Literatur im Klagenfurter ORF-Theater mit einer Rede des Schriftstellers Josef Winkler eröffnet werden, dann ist das nicht nur deshalb ganz passend, weil Winkler gleich um die Ecke wohnt. Es ist auch ein Jubiläum: Vor 30 Jahren wurde Winkler hier mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet.
Vielleicht wird Winkler also etwas darüber erzählen, wie sich das Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis, den wichtigsten und über lange Zeit gefürchtetsten Literaturwettbewerb im deutschsprachigen Raum, seither verändert hat. Schaut man sich die 14 Autoren und Autorinnen an, die von der Jury in diesem Jahr nominiert worden sind, dann scheint sich eine Tendenz der letzten Jahre zu bestätigen: So groß ist die Furcht nicht mehr. Mehr und mehr nämlich sind es auch etablierte Autoren, die sich mit ihren Texten der Jury stellen und riskieren, öffentlich abgewatscht zu werden - und damit möglicherweise ihren Ruf aufs Spiel setzen.
Auch in diesem Jahr sind mit Ralf Bönt und Bruno Preisendörfer zwei alte Hasen des Literaturbetriebs dabei. Und bei den jüngeren Autoren findet man etwa mit Gregor Sander, Andreas Schäfer oder Christiane Neudecker, deren Roman "Nirgendwo sonst" im vergangenen Jahr viel beachtet wurde, Teilnehmer, die sich längst einen Namen gemacht haben. Eine Autorin wirkt in diesem Kreis geradezu exotisch: Caterina Satanik, Jahrgang 1976, die nach eigenem Bekunden noch nie den Versuch unternommen hat, ihre Erzählungen oder Gedichte zu veröffentlichen.
Ob nun Etablierte oder Neulinge - vermutlich wird deshalb keinem vor der Nabelschau am Wörthersee wirklich bange, weil die Klagenfurter Jury in der Vergangenheit einigermaßen handzahm geworden ist. An ernsthafte Zerwürfnisse oder vernichtende Urteile kann man sich schwerlich erinnern. Das könnte, positiv gedacht, ein Zeichen für die Qualität von Texten und Autoren sein. Hätte man nicht den Verdacht, dass sich die Jurymitglieder ganz einfach untereinander nicht zu frontal an den Karren fahren wollten: Schließlich wird jeder Autor von einem der Juroren eingeladen. Ein bisschen Wille zur Konfrontation wäre also mal wieder ganz schön.
In diesem Jahr ist es allerdings besonders schwer, Prognosen über die Jury abzugeben. Wie im vergangenen Jahr besteht sie nur noch aus sieben anstelle von bisher neun Juroren, ist aber durch Meike Feßmann, Paul Jandl, Karin Fleischanderl und Hildegard E. Keller zu mehr als fünfzig Prozent neu besetzt. Interessant wird deshalb zunächst mal sein, wie sich unter dem Vorsitzenden Burkhard Spinnen die Positionen und Rollen neu verteilen werden.
Eine Premiere ist es auch für Moderatorin Clarissa Stadler, die nach nur einem Jahr Dieter Moor ablöst, der mit seinen Entertainerqualitäten zwar einigermaßen geschmeidig über seinen mangelnden literarischen Sachverstand hinwegzugehen verstand, aber den meisten Beteiligten und Zuhörern gehörig an den Nerven rüttelte.
Am Ende wird das alles dann aber hoffentlich nicht für mehr Gesprächsstoff sorgen als die Texte und deren Autoren, von denen einer am kommenden Sonntag mit dem mit 25.000 Euro und viel Renommee dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wird. Das Bühnenbild, in dem sich das Ganze in diesem Jahr abspielt, hat übrigens das schöne Motto: "Wasser, Wellen, Worte, Literatur - Bewegung, die sich ausbreitet".
Womit wir beim Wesentlichen wären. Falls alles schiefgeht, bleibt in Klagenfurt ja immer noch eins: der türkisfarbene Wörthersee, in den der Betrieb während dieser Tage traditionell seine durch Literatur mehr oder minder wohl geformten Körper gleiten lässt. Und das ist doch immerhin schon mal was.
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