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Infas: Wahl „bemerkenswert“

■ Das Institut für angewandte Sozialwissenschaften hebt in seiner Wahlanalyse die herben Verluste für die beiden großen Parteien CDU/CSU und SPD als „wahlhistorisch bemerkenswert“ hervor

Bonn (dpa) - Zum Bundestagswahlergebnis schreibt Infas: „Selten zuvor haben sich Kommentatoren einer Bundestagswahl so weit in die Historie der Nachkriegswahlen zurückbegeben, um das Ungewöhnliche zu beschreiben und die allseitige Überraschung zu begründen: das schwächste Ergebnis für die Union seit 1949, für die SPD seit 1961, für die beiden großen Parteien zusammen seit 1953. Und eine so geringe Beteiligung hat es seit der ersten Bundestagswahl auch nicht mehr gegeben. Noch nie zuvor haben Union und SPD im Gleichtakt Stimmen eingebüßt“. Vor dem Hintergrund der von den beiden großen Parteien selbst gesteckten Zielwerte ist die Reduzierung der Stimmenanteile für den „Block der Großen“ auf 81,3 Prozent wahlhistorisch bemerkenswert. Ein wesentlicher und neuartiger Bestandteil des Wählervotums war diesmal die höhere Wahlenthaltung, die als Zurückhaltung gegenüber dem politischen System gedeutet werden kann und die beiden großen Parteien schmerzhafter traf als die beiden kleinen. Ein weiteres und wichtigeres Element sind die Verschiebungen innerhalb beider politischer Lager zu den kleineren Parteien hin. Erleichtert wurde diese Ten denz durch die Besonderheit unseres Wahlsytems. Wie schon 1983 hätten die Erststimmen allein auch 1987 ein ganz anderes Kräfteverhältnis zur Folge gehabt: 47,8 Prozent für die CDU/CSU, 39,2 Prozent für die SPD, sieben Prozent für die Grünen, aber mit 4,7 Prozent für die FDP einen Wert unterhalb der kritischen Schwelle. Die genauere Analyse des infas–Instituts läßt erkennen, daß es neben den „Binnenbewegungen“ innerhalb der beiden Lager auch Bewegungen zwischen ihnen gab. Die CDU/CSU hat diesmal rund 2,2 Millionen Zweitstimmen weniger an sich ziehen können und diese Verluste nicht nur der stärkeren Wahlenthaltung (0,8 Millionen), sondern auch Abwanderungen in alle politischen Himmelsrichtungen zuschreiben müssen: In erster Linie zur FDP, mit einem Saldoverlust von 0,8 Millionen; ferner im Austausch mit der SPD, wobei rund 0,4 Millionen verlorengingen; in kleinerem Umfang an die Grünen; und in der Größenordnung von 0,15 Millionen an die anderen Gruppierungen, vor allem am rechten Rand der Parteienlandschaft. Die Bilanz der SPD weist besonders starke Bewegungen auf, auch wenn sich der Nettoverlust mit 0,8 Millionen in Grenzen hält. Im Hin und Her zwischen SPD und Union verblieb ein positiver Saldo von 0,4 Millionen. Im übrigen war das Ergebnis unterm Strich negativ: An die FDP mußte sie etwas mehr abgeben als sie einziehen konnte; und bei den Grünen lag der Verlust per Saldo bei etwa 0,6 Millionen. Die FDP hat im Ganzen um gut 0,7 Millionen Stimmen mehr zu verbuchen, vor allem vom Konto der CDU/CSU, aber auch im Austausch mit der SPD. Innerhalb der Koalition liegen CSU und FDP nunmehr etwa gleichauf. Den Grünen, die fast eine Millionen Stimmen mehr verbuchen konnten, kam vor allem der Austauch mit der SPD zugute (0,6 Millionen). Die zweite große Quelle der Grünen waren auch diesmal die Erstwähler (0,4 Millionen). Die CDU/CSU als die größere Verliererin dieser Wahl wird die ihr untreu gewordenen Wähler vor allem in zwei Richtungen zu suchen haben. Was an Abwanderung oder Zweitstimmen der FDP zugute gekommen ist, konzentriert sich auf wenige Regionen im Südwesten und am Mittelrhein. Ein zweiter größerer Defzitbereich der Kanzlerpartei bei dieser Wahl ist der ländliche Raum vor allem im nördlichen Deutschland. Die SPD hat gegenüber 1983 vor allem in folgenden Regionen Zugewinne in Höhe von zwei bis drei Prozentpunkten zu verzeichnen, bei Einbußen der CDU von sechs bis acht Punkten: Emsland, Münsterland, Gütersloh, Paderborn. Einen Teil ihrer Zugewinne hatte die SPD in ländlichen Kreisen in Westfalen und Niedersachsen zu verbuchen. Deutlich über dem Bundestrend lag die SPD aber auch im Ruhrgebiet. Die durchschnittliche Zuwachsrate für das gesamte Revier betrug 0,7 Punkte, in einzelnen Städten (Duisburg, Oberhausen) gab es Zugewinne um 1,5 Punkte, Spitzenreiter ist Wuppertal, wo Johannes Rau Oberbürgermeister war, mit 1,6 Prozentpunkten. Die geringen Zuwachsraten der FDP in den Ruhrgebietsstädten lassen auf einen Ringtausch schließen. Die CDU hat an Liberale und an Sozialdemokraten Wähler abgeben müssen, zugleich gab es Wanderungen von der FDP zur SPD. Die Gewinne der Grünen bewegen sich im Ruhrgebiet mit 2,0 Punkten in engem Rahmen. Die CSU hat in Bayern 4,3 Punkte verloren, die CDU im übrigen Bundesgebiet 4,6. Die bayerische SPD hat gegenbüer 1983 um 2,0 Punkte verloren, die SPD im übrigen Bundesgebiet um 1,0 Punkte. Allerdings ist in Bayern die Wahlbeteiligung stärker (um 5,8 Punkte) zurückgegangen als anderswo (Bundesdurchschnitt ohne Bayern: 4,4).

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