Industriedenkmal: Harburger Hallen sollen bleiben
Investor will anstelle eines denkmalgeschützten Fabrikensembles eine "Ecocity" mit Hochhäusern bauen. Der Bezirk fürchtet um das Entrée zum Binnenhafen.
Das Neubauprojekt klingt spektakulär: Zwei 16-stöckige Hochhäuser mit zeichenhaften Windturbinen in der obersten Etage sollen im Harburger Binnenhafen errichtet werden. Dazu kämen eine Reihe niedriger Bürogebäude sowie Lager- und Produktionshallen - all das mit Sonnen- und Windenergie und begrünten Dächern. Würde das so realisiert, bliebe von den denkmalgeschützten Hallen der New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie (NYH ) mit einer Ausnahme nichts übrig als die Fassaden.
Die backsteinernen Gründerzeit-Hallen der NYH sind von der nach Harburg fahrenden S-Bahn aus zu sehen und bilden von der Autobahn aus das Entrée zum Harburger Binnenhafen. Die Firma, die die Hallen momentan nutzt, will ihren Betrieb nach Lüneburg verlagern und hätte damit eigentlich schon zum Jahresende 2009 fertig sein wollen. Jetzt wird eine neue Nutzung gesucht, was nicht ganz einfach ist, denn die Wände dünsten infolge der Gummiherstellung Krebs erregende Nitrosamine aus.
Dem Baudezernenten des Bezirks, Jörg-Heinrich Penner, ist das klar. Er hat der Eigentümerin, der Harbour Real Estate Portfolio AG, deshalb angeboten, auf dem hinteren Teil des Geländes zwischen Nartenstraße und Neuländer Straße ein Hochhaus zu bauen, so dass sich das Gesamtprojekt bei Erhaltung der alten Hallen rentabler gestalten ließe. Die Planer von Harbour Real Estate, Tec Architecture und das Ingenieurbüro Arup, haben jedoch auch an der Ecke der beiden Straßen ein Hochhaus beantragt.
Die New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie (NYH) ist 1871 in Barmbek gegründet worden. Das damalige Fabrikgebäude beherbergt heute das Museum der Arbeit.
Ebonit ist der Stoff, mit dem die Geschichte der Firma begann: ein Hartgummi, aus dem bis vor kurzem Kämme für das Friseur-Handwerk hergestellt wurden. Mittlerweile hat das Unternehmen viele andere Produkte aus Gummi und Plastik im Programm.
Umzug: Bereits bis Ende 2009 wollte die NYH in ein eigens errichtetes Fabrikgebäude nach Lüneburg ziehen.
Der Eigentümer könne möglicherweise beanspruchen ein Hochhaus zu bauen, sagt der Harburger CDU-Fraktionschef Ralf -Dieter Fischer, "aber nicht an der Ecke". Das Gelände sei ein wichtiger Teil des Harburger Binnenhafens, den der Bezirk in ein Quartier zum Arbeiten und Leben verwandeln will. "Unsere Philosophie dabei ist es, Altbausubstanz mit neuen Nutzungen zu verbinden", sagt Fischer.
Die Planer kontern mit ihrem ökologischen Konzept. Die Ecocity werde als Projekt für die Internationale Bauausstellung 2013 diskutiert, sagt Till Pasquay von Arup. "Die Bewerbung läuft." Indem die Windturbinen in die Gebäude integriert werden, wolle man ein Zeichen setzen. Wie gut das funktionieren könnte, ist unklar: Es gibt kaum Vorbilder. Die Planer wollen zehn Prozent des Energieverbrauchs ihres Quartiers mit den Turbinen decken.
Fischer ist skeptisch: "Jeder, der in Harburg oder Wilhelmsburg bauen will, sagt: Das ist ein IBA-Projekt." Der Bezirk wolle einen Bebauungsplan für das Quartier erarbeiten. Baudezernent Penner und seine Leute prüfen derweil den Bauvorbescheidsantrag für das Hochhaus an der Ecke. Ein Rechtsanspruch auf eine Genehmigung liege auch nach jetzigem Recht nicht vor. Der Bezirk sei sich mit dem Denkmalschutzamt und der Baubehörde einig, dass die alten Hallen erhalten werden sollten. Trotz der Vergiftung sei das drin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt