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■ Indonesien: Bonn muß die Kumpanei mit dem Suharto-Regime beenden und endlich den Dialog mit den Reformkräften aufnehmenDiktatorendämmerung in Jakarta

Kein Zweifel, die „Beratende Volksversammlung“ wird Präsident Suharto heute für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen. Für die Wahlfarce hat der frühere General die meisten Delegierten handverlesen und ist der einzige Kandidat. Doch solange der seit 32 Jahren amtierende Suharto an der Macht klebt und kein reformfähiger Nachfolger in Sicht ist, wird das viertbevölkerungsreichste Land der Welt seine schwere Krise nicht überwinden können.

In keinem asiatischen Land ist die wirtschaftliche Krise so eng mit einer politischen verbunden wie in Indonesien. Während in Thailand und Süd-Korea die Krise demokratiefreundlichen Regierungen zur Macht verhalf, ist Indonesien als Epizentrum der Asienkrise politisch erstarrt. Der Suharto-Clan hält Wirtschaft und Politik des Landes als Geisel. Indonesien zahlt jetzt den Preis für Suhartos Blockade des Wandels. Suharto steht für Vetternwirtschaft, Korruption, Monopole und fehlende Transparenz sowie Menschenrechtsverletzungen und autoritäre Herrschaft. Die meisten Indonesier wollen den Diktator endlich loswerden, doch nur wenige können sich einen friedlichen Machtwechsel vorstellen.

Tatsächlich verlief Indonesiens einziger Wechsel seit der Unabhängigkeit im Jahr 1945 traumatisch. 1965/1966 wurden nach dem Sturz Sukarnos eine halbe Million Menschen meist chinesischer Abstammung getötet. Die jüngsten Übergriffe, bei denen die chinesische Minderheit zu Sündenböcken des Regimes wurde, erinnern an damals. Drohte Suharto bisher mit der Formel „Ich oder das Chaos“, droht jetzt mit ihm das Chaos. Das Land der 13.000 Inseln gleicht einem Pulverfaß, dessen Nachbarn Notpläne für seine Explosion entwickeln.

Suharto sitzt politisch noch fest im Sattel. Seine Macht wird eher von seinem Alter und Gesundheitszustand gefährdet als durch ernstzunehmende Herausforderer. Das Militär steht hinter ihm, die Lage der Opposition ist desolat. Doch niemand traut dem 76ährigen zu, die Krise bewältigen zu können. Die zwei Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) haben gezeigt, daß Suharto nicht zu Reformen bereit ist, die seine Macht und die Pfründen seines Clans gefährden. Die IWF-Programme verschärfen die sozialen Folgen der Krise. Doch Suhartos Widerstand ist nicht sozial begründet, sondern durch Eigeninteressen.

Jetzt rächt sich, daß westliche Regierungen jahrelang Suhartos Regime unterstützt haben. Als antikommunistisches Bollwerk und regionalpolitischer Stabilitätsfaktor lockte Suhartos Indonesien mit dem größten Markt der Region. Während dem Diktator gelang, die Armut zu reduzieren, galten Geschäfte mit seinem Clan als besonders lukrativ.

Das IWF-Programm in Indonesien muß scheitern, weil mit Suharto der Bock zum Gärtner gemacht wurde. Ihm fehlt die moralische Autorität, um von der Bevölkerung glaubhaft Opfer verlangen zu können. Ausgerechnet er, dessen Regierung weder willens noch fähig ist, neue Waldbrände in Borneo zu verhindern, soll Reformen durchsetzen, die an die Substanz seiner Macht gehen?

Suharto hat bisher keinen Nachfolger aufgebaut oder Mechanismen eines Machtwechsels installiert. Es ist längst nicht sicher, daß Forschungs- und Technologieminister Bacharrudin Jusuf Habibie, der morgen Vizepräsident werden soll, auch Suhartos Nachfolger wird. Wegen seines Hangs zu hochsubventionierten Technologieprojekten, abstrusen Wirtschaftstheorien und antidemokratischen Praktiken traut niemand Habibie die notwendigen Reformen zu.

Indonesiens Zukunft ist in erster Linie Sache seiner über 200 Millionen Einwohner, doch die Haltung des Auslands ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil Jakarta ausländische Hilfe anfordert. Der US-Regierung dämmert, daß es mit Indonesien nicht aufwärts gehen kann, solange Suharto im Amt ist. Trotz Kritik stützt Washington bisher noch das Suharto-Regime. Fatal ist die Kumpanei der deutschen Regierung mit Suharto. Aus Bonn war in den letzten Jahren kein kritisches Wort über ihn zu hören. Bundeskanzler Kohl bezeichnet Asiens dienstältesten Diktator öffentlich als seinen Freund.

Kein europäisches Land unterhält zu seinem Regime so enge Beziehungen wie Deutschland und hält gleichzeitig solche Distanz zu den Regimekritikern. Suharto bekam von Bonn eine ganze Marine ehemaliger NVA-Schiffe. Deutschland ist der größte europäische Handelspartner, deutsche Banken sind nach japanischen die größten Gläubiger. Der in Aachen ausgebildete künftige Vizepräsident Habibie ist der Liebling der deutschen Industrie. Wenn in Jakarta Gerüchte über eine Flucht Suhartos kursieren, heißt es, er sei nach Deutschland geflohen. Keine Frage: Die Bundesregierung trägt Mitverantwortung für das Suharto-Regime.

Die bisherige Bonner Unterstützung mündet jetzt in die Illusion, die Krise lasse sich ohne Wechsel an der Staatsspitze Indonesiens lösen. Gipfel der deutschen Kumpanei war der kürzliche Jakarta-Besuch von Finanzminister Theo Waigel. Während der IWF Suharto wegen dessen Plänen zur Dollarbindung der Rupiah mit dem Stopp von Krediten drohte, sagte Waigel dem Diktator Finanzhilfen in Höhe von 375 Millionen Mark zu. Ein Artikel Waigels in der Jakarta Post enthielt nicht ein kritisches Wort. Der CSU-Minister erwähnte nicht einmal die Bedrohung der chinesischen Minderheit.

Die Politik der Bundesregierung dient nicht, wie sie meint, der deutschen Exportindustrie, sondern ist kurzsichtig und gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland. Vielmehr würde eine aktive Menschenrechtspolitik gegenüber Indonesien dort eine unabhängige Gerichtsbarkeit stärken, die in Form verbesserter Rechtssicherheit auch den Wirtschaftsbeziehungen zugute käme. Statt weiter Suharto zu unterstützen und über Habibies Aufstieg zu frohlocken, sind die Kräfte zu stärken, die für demokratische Reformen stehen.

Ein baldiger Sturz Suhartos ist unrealistisch. Doch Bonn sollte auf einen Machtwechsel hinarbeiten und durch stetigen Druck signalisieren, daß Suhartos System keine Zukunft hat. Statt auf das Eingreifen des Militärs zu warten, sollten zivile Alternativen unterstützt werden. Dafür muß die Bundesregierung endlich mit Reformkräften den Dialog führen und mithelfen, daß mittelfristig eine Art Runder Tisch aller gesellschaftlichen Kräfte einen Grundkonsens über Reformen erarbeitet. Sven Hansen

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