piwik no script img

Indische Truppen überrennen Tamil Tigers

■ Nach heftigen Gefechten soll es den Indern im Norden Sri Lankas gelungen sein, wichtige Stützpunkte der tamilischen Guerilla einzunehmen / Gerüchte sprechen von der bedingungslosen Kapitulation der Tamil Tigers / Mehrheit der Bevölkerung Jaffnas flüchtet

Colombo/New Delhi (ap/afp) - Nach zehntägigen heftigen Kämpfen zwischen der tamilischen Guerilla und der indischen Armee in der Stadt Jaffna im Norden Sri Lanka ist es den indischen Truppen am gestrigen Montag erstmals gelungen, ins Zentrum der ehemaligen Hochburg der Guerilla „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) vorzudringen. Der militärische Sieg über die Guerilla steht damit kurz bevor. Nach offiziellen indischen Angaben haben die rund 8.000 auf der Jaffna–Halbinsel eingesetzten indischen Soldaten inzwischen den Busbahnhof, verschiedene wichtige Verkehrsknotenpunkte und das sechs Kilometer von der Stadt entfernt gelegene Hauptquartier der LTTE eingenommen. Die circa 2.000 Mann starke Guerilla verfügt jedoch noch über weitere Kommandostellungen innerhalb und außerhalb Jaffnas . Wie bereits in den vergangenen Tagen gab es jedoch auch zu Wochenbeginn keine verläßlichen Informationen über die Situation im Norden. Nach indischen Angaben sind bei den Kämpfen bislang über 500 Rebellen und 100 indische Soldaten gefallen. Über getötete Zivilisten in der dichtbesiedelten Metropole macht New Delhi keine Angaben, was zu wildesten Spekulationen Anlaß gibt. Rund drei Viertel der 500.000 Einwohner Jaffnas sollen sich in Tempel, Schulen und öffentliche Gebäude geflüchtet haben, in denen nach den Schilderungen von Flüchtlingen „kein Stehplatz mehr zu bekommen ist“. Die Guerilla, die bislang von der Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgt wurde, soll angeblich nur noch von Zitronenkeksen und Limonade leben. Militärische Beobachter hatten die Einnahme der Stadt angesichts der überragenden Übermacht der Inder bereits für den vergangenen Freitag vorausgesagt, da die Nachschubwege der Guerilla abgeschnitten seien. Indische Stellen erklären die andauernden Kämpfe damit, daß sie aus Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nur wenig schwere Artillerie einsetzen könnten. Die Informationen über das Vorgehen der Guerilla sind ebenfalls widersprüchlich. Während die Zeitungen in Colombo die LTTE–Führer als Feiglinge dar stellen, die sich längst abseits der Kampfplätze versteckt hielten, wechseln in Indien Waffenstillstandsangebote und Durchhalteparolen einander ab. Ende vergangener Woche soll LTTE–Chef Prabhakaran der indischen Regierung in einem geheimen Brief einen gegenseitigen Waffenstillstand angeboten haben. Dies wurde jedoch von Indiens Premier Rajiv Gandhi mit der Bemerkung abgelehnt, dazu hätten die Tigers lang genug Zeit gehabt. Die indische Offensive werde erst abgebrochen, wenn die Guerilla sich samt Waffen ergebe. Daraufhin tauchten am Sonntag an der ebenfalls umkämpften Ostküste Flugblätter der LTTE auf, in denen die Gruppe ankündigte, „bis zum letzten Mann“ zu kämpfen. Sie würden eine Herrschaft der Inder über die tamilischen Gebiete auf Sri Lanka nicht zulassen. Ähnlich hatte sich früher auch Prabhakaran geäußert, indem er ankündigte, die Inder auch dann weiterzubekämpfen, wenn die Munition verbraucht sei. In verschiedenen unbestätigten Berichten werden den Tigers Greueltaten gegenüber indischen „Kriegsgefangenen“ nachgesagt. So sollen in der vergangenen Woche fünf indische Soldaten nach der in Südafrikas Schwarzenvierteln verbreiteten „Necklacing“– Methode an Laternenpfähle aufgehängt und bei lebendigem Leibe verbrannt worden sein. Nach neuesten Informationen aus srilankischen Regierungskreisen hat der stellvertretende Oberkommandierende der Tigers in Jaffna den Indern am Montag aber die bedingungslose Kapitulation angeboten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen