piwik no script img

IndierockVier Rotzlöffel in einsamen Galaxien

Kommentar von René Hamann

Mit "Your Favourite Worst Nightmare" gelingt den Arctic Monkeys ein gelungener Nachfolger für ihr erstes Überwerk.

Rotzlöffel im Parka: Arctic Monkeys Bild: Promo

S o weit scheinen sich alle einig zu sein: Die zweite Arctic Monkeys rockt nicht mehr so wie die erste; das Rennen um die beste zweite Platte und den Titel der derzeit besten Band der Welt wurde klar gegen Maximo Park verloren; die jungen Rabauken sind des Feierns müde geworden und widmen sich nunmehr eher dem Abglanz des Seins denn des Glanzes selbst. Mit "alle" sind gemeint: die diversen Kollegen, die Blogger und Internetwarenhaus- Kurzbesprecher. Auch beim Vorab-Konzert fielen die neuen gegen die alten Songs ziemlich ab.

zwischen den rillen

Vier Rotzlöffel auf ihrem Weg in einsame Galaxien

Mit "Your Favourite Worst Nightmare" gelingt den Arctic Monkeys ein recht gelungener Nachfolger für ein Überwerk

So weit scheinen sich alle einig zu sein: Die zweite Arctic Monkeys rockt nicht mehr so wie die erste; das Rennen um die beste zweite Platte und den Titel der derzeit besten Band der Welt wurde klar gegen Maximo Park verloren; die jungen Rabauken sind des Feierns müde geworden und widmen sich nunmehr eher dem Abglanz des Seins denn des Glanzes selbst. Mit "alle" sind gemeint: die diversen Kollegen, die Blogger und Internetwarenhaus- Kurzbesprecher. Auch beim Vorab-Konzert fielen die neuen gegen die alten Songs ziemlich ab.

Aber stimmt das denn? Vielleicht lässt sich zu den Stücken auf "Your Favourite Worst Nightmare" nicht mehr so bedingungslos herumhopsen wie auf denen der ersten Platte; es gibt weniger offensichtliche Breaks und Off-Beat-Passagen. Dafür gibt es eine größere Bandbreite musikalischer Stimmungen, die ruhigeren Passagen sind ruhiger, die Musik drückt auch mal einen feineren, fremden Schmerz aus. Die Balladen "Only Ones We Know" und das gebrochen-schöne "505" sind fast zärtlich geraten. In den Texten wird nicht mehr nach den heißen Mädchen auf der Tanzfläche geschielt, sondern das seltsame Pärchen auf der Parkbank beobachtet, die Aussteiger und das Abseitige des Nachtlebens beleuchtet. Man kann ja nicht immer nur Spaß haben, auch auf der Schattenseite gibt es viel zu sehen.

Außerdem sehen die Reaktionen auf den Nachfolger eines Überwerks doch meistens so aus. Egal, ob bei "Bad" (Michael Jackson) oder "In Utero" (Nirvana), es ist nie so toll wie beim ersten Mal. Befreit man sich von derartig erwarteter Enttäuschung, wird man erkennen: Auch "Your Favourite Worst Nightmare" ist verdammt gut geworden. "Brianstorm", "Teddy Picker" oder "The Bad Thing" sind formidable Rocker, "Fluorescent Adolscent" mit tollem Weltraumorgeleinsatz ist ein prima Popsong, der im Sommer noch so manch profanen Eisdielenbesuch zu einem besonderen Ereignis machen wird, und "Do Me a Favour" ist ein klasse Surfstomper. Die vier aus Sheffield haben nichts falsch gemacht, sie haben ihren Sound nicht umgekrempelt, auch Alex Turners Art zu sprechsingen ist dieselbe geblieben. Die Band aus Sheffield hat einfach eine zweite Platte gemacht, die musikalisch variabler, aber nicht minder gut ist als die (vielleicht auch übertrieben abgefeierte) erste.

Wenn man so will, trägt ihr Label eine Mitschuld an der eher reservierten Aufnahme des neuen Albums. Konnten die meisten Fans die Stücke der ersten Platte schon auswendig mitsingen, bevor diese überhaupt erschienen war, standen diesmal alle etwas fragend und zurückhaltend herum, als das neue Material zum ersten Mal live präsentiert wurde. Produzierte gerade der Hype via Myspace und Blogs um die noch unveröffentlichten, nur im Netz erhältlichen Stücke den Run aufs Debüt, hatte man sich jetzt entschieden, alles bis zum wirklichen Veröffentlichungstermin unter Verschluss zu halten. Keine MP3s. Nur die Single "Brianstorm" rotierte schon fleißig durch die Sender, obwohl sie weder physisch noch per Download erhältlich war. Auch zwiespältige Werbestrategien der Plattenfirma Domino, eigentlich einem Indie, war man bislang nur von Majors gewohnt. So gab es Fototermine nur für Magazine, die eine Titelgeschichte garantierten.

Tapfer betonten die Arctic Monkeys, dass trotzdem alles beim Alten geblieben sei. Produziert haben diesmal James Ford und Mike Crossey, die schon in den Anfängen der Arctic Monkeys mitgemischt haben. Auch ansonsten stellte man klar, dass man weitgehend normal geblieben sei - trotz des Rummels, trotz Kumpeleien von Leuten wie Noel Gallagher, trotz der ganzen Blogmania um das erste Album. Keine Allüren, keine Drogeneskapaden, keine Dates mit Schauspielerinnen. Dieselben Freunde wie vorher auch. Die Arctic Monkeys sind einfach vier junge Männer mit sehr viel Talent geblieben. Vier Rotzlöffel mit einem weiteren Album voller schmissiger Rockstücke, den halbgaren Versuchen anderer Britrock-Gruppen um Galaxien voraus. Auch dieses Mal. RENÈ HAMANN

Arctic Monkeys: "Your Favourite Worst Nightmare" (Domino/RTD)

Aber stimmt das denn? Vielleicht lässt sich zu den Stücken auf "Your Favourite Worst Nightmare" nicht mehr so bedingungslos herumhopsen wie auf denen der ersten Platte; es gibt weniger offensichtliche Breaks und Off-Beat-Passagen. Dafür gibt es eine größere Bandbreite musikalischer Stimmungen, die ruhigeren Passagen sind ruhiger, die Musik drückt auch mal einen feineren, fremden Schmerz aus. Die Balladen "Only Ones We Know" und das gebrochen-schöne "505" sind fast zärtlich geraten. In den Texten wird nicht mehr nach den heißen Mädchen auf der Tanzfläche geschielt, sondern das seltsame Pärchen auf der Parkbank beobachtet, die Aussteiger und das Abseitige des Nachtlebens beleuchtet. Man kann ja nicht immer nur Spaß haben, auch auf der Schattenseite gibt es viel zu sehen.

Außerdem sehen die Reaktionen auf den Nachfolger eines Überwerks doch meistens so aus. Egal, ob bei "Bad" (Michael Jackson) oder "In Utero" (Nirvana), es ist nie so toll wie beim ersten Mal. Befreit man sich von derartig erwarteter Enttäuschung, wird man erkennen: Auch "Your Favourite Worst Nightmare" ist verdammt gut geworden. "Brianstorm", "Teddy Picker" oder "The Bad Thing" sind formidable Rocker, "Fluorescent Adolscent" mit tollem Weltraumorgeleinsatz ist ein prima Popsong, der im Sommer noch so manch profanen Eisdielenbesuch zu einem besonderen Ereignis machen wird, und "Do Me a Favour" ist ein klasse Surfstomper. Die vier aus Sheffield haben nichts falsch gemacht, sie haben ihren Sound nicht umgekrempelt, auch Alex Turners Art zu sprechsingen ist dieselbe geblieben. Die Band aus Sheffield hat einfach eine zweite Platte gemacht, die musikalisch variabler, aber nicht minder gut ist als die (vielleicht auch übertrieben abgefeierte) erste.

Wenn man so will, trägt ihr Label eine Mitschuld an der eher reservierten Aufnahme des neuen Albums. Konnten die meisten Fans die Stücke der ersten Platte schon auswendig mitsingen, bevor diese überhaupt erschienen war, standen diesmal alle etwas fragend und zurückhaltend herum, als das neue Material zum ersten Mal live präsentiert wurde. Produzierte gerade der Hype via Myspace und Blogs um die noch unveröffentlichten, nur im Netz erhältlichen Stücke den Run aufs Debüt, hatte man sich jetzt entschieden, alles bis zum wirklichen Veröffentlichungstermin unter Verschluss zu halten. Keine MP3s. Nur die Single "Brianstorm" rotierte schon fleißig durch die Sender, obwohl sie weder physisch noch per Download erhältlich war. Auch zwiespältige Werbestrategien der Plattenfirma Domino, eigentlich einem Indie, war man bislang nur von Majors gewohnt. So gab es Fototermine nur für Magazine, die eine Titelgeschichte garantierten.

Tapfer betonten die Arctic Monkeys, dass trotzdem alles beim Alten geblieben sei. Produziert haben diesmal James Ford und Mike Crossey, die schon in den Anfängen der Arctic Monkeys mitgemischt haben. Auch ansonsten stellte man klar, dass man weitgehend normal geblieben sei - trotz des Rummels, trotz Kumpeleien von Leuten wie Noel Gallagher, trotz der ganzen Blogmania um das erste Album. Keine Allüren, keine Drogeneskapaden, keine Dates mit Schauspielerinnen. Dieselben Freunde wie vorher auch. Die Arctic Monkeys sind einfach vier junge Männer mit sehr viel Talent geblieben. Vier Rotzlöffel mit einem weiteren Album voller schmissiger Rockstücke, den halbgaren Versuchen anderer Britrock-Gruppen um Galaxien voraus. Auch dieses Mal.

Arctic Monkeys: "Your Favourite Worst Nightmare" (Domino/RTD)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!