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Indien startet Diplomatieoffensive

Überparteiliche Delegationen reisen derzeit um die Welt, um Indiens Position zu Terrorismus und Pakistan nach dem Anschlag in Kaschmir darzulegen. In Deutschland soll die Mission enden

Aus Mumbai Natalie Mayorth

In Mumbai erinnern schwarz-rote Poster an Indiens Vergeltung für den tödlichen Terroranschlag in Kaschmir vor einem Monat. Einige tragen die Aufschrift „Operation Sindoor“, den Namen der Militäraktion, und zeigen Premierminister Narendra Modi. Auf anderen sind die weiblichen Offiziere Sofiya Qureshi und Vyomika Singh zu sehen. Sie informierten die Bevölkerung über die Angriffe, mit denen Neu-Delhi ab dem 7. Mai 2025 das Nachbarland Pakistan ins Visier nahm.

„Bilder dieser beiden Frauen machen mich stolz“, sagt die junge Mumbaierin Ankita Padhy. Aufgehängt wurden die Plakate von Parteien und Bürgergruppen. Die Botschaft dahinter: Indien vergisst nicht und ist bereit, zurückzuschlagen. Dies betont zurzeit auch die Regierung. Seit Mittwoch entsendet Indien daher sieben Teams mit knapp 60 Abgeordneten, Ex-Ministern und Diplomaten – inklusive Mu­sli­men und Frauen – in 32 Länder, um seine Haltung zum Terrorismus und Pakistan zu erklären.

Bei Padhy sitzt die Trauer über den Anschlag tief. Die Studentin kennt Erzählungen aus der Zeit, als Mumbai selbst Ziel zahlreicher Angriffe wurde, wie etwa 2008, als mit Pakistan assoziierte islamistische Terroristen 166 Menschen töteten. Die Anschläge sorgten damals nicht nur dafür, dass die Stimmung gegenüber Pakistan kippte. Sie gruben Gräben zwischen Hindus und Muslimen. Eine düstere Zeit, in die sich niemand zurücksehnt.

„Ich wünsche mir eine friedliche Gesellschaft“, sagt Padhy. Es mache sie bestürzt, dass im Namen von Religion Menschen sterben. Am 22. April ermordeten Terroristen im kaschmirischen Pahalgam 26 Menschen, vor allem Hindus. Nach Auffassung der indischen Regierung unterhalten sie Kontakte zum pakistanischen Geheimdienst. Konkrete Beweise dafür legte die Regierung bisher nicht vor.

Padhy versteht, dass sich manche eine härtere Vergeltung gegen Pakistan gewünscht hätten. „Terrorismus greift nicht nur Einzelne, sondern auch die Entwicklung unseres Landes an“, fügt die 18-Jährige hinzu. Wie viele In­de­r:in­nen hat sie das Gefühl, dass Indien international nicht die Solidarität erhält, die es verdient habe. Deshalb begrüßt sie Delhis diplomatische Großoffensive.

Viele In­de­r:in­nen haben das Gefühl, dass Indien nicht die Solidarität erhält, die es verdient

Am Donnerstag war die BJP-Abgeordnete Aparajita Sarangi nach Japan gereist, einer der ersten Stationen neben den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Tokio traf sie Japans Außenminister, um ihn um Unterstützung zu bitten. Sarangis Botschaft: „Gespräche und Terror, Handel und Terror – das passt nicht zusammen. Blut und Wasser können nicht fließen“, schrieb die 55-Jährige auf X, ein Verweis auf das suspendierte indisch-pakistanische Wasserabkommen. In indischen Medien sagte sie, man wolle Fakten und Zahlen präsentieren, um zu verhindern, dass Pakistan die Weltgemeinschaft täuscht.

„In Zeiten von Trauer und Krise sollte Überparteilichkeit uns verbinden“, sagte der Kongresspolitiker Shashi Tharoor, der international bekannteste Oppositionelle der Mission. Sein Parteikollege Jairam Ramesh warf Modi vor, die Initiative nur gestartet zu haben, um sein angeschlagenes Ansehen zu verbessern und von unbequemen Fragen zum Anschlag abzulenken. Früher sei es üblich gewesen, Abgeordnete verschiedener Parteien zu den Vereinten Nationen zu entsenden, das habe Modi 2014 beendet. Neben den USA, Russland, Brasilien und Frankreich wird als letzte Station am 5. Juni auch in Deutschland eine Delegation erwartet.

Unterdessen sprach Modi am Donnerstag bei seiner ersten Rallye seit Ende des bewaffneten Konflikts erneut eine Warnung aus. Indiens Feinde hätten gesehen, was passiert, wenn sich Sindoor in Schießpulver verwandle, eine Anspielung auf das rote Pulver, das verheiratete Hindu-Frauen am Haaransatz tragen und das der Militäraktion ihren Namen gab.

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