■ QUERBILD: Independence Day
Ein Bild geht gerade um die Welt, das eigentlich anarchistisches Potential hätte: Eines der mächtigen Mutterschiffe schiebt sich langsam durch die Wolken über Washington bis ein heller Laserstrahl herauszuckt, um das Weiße Haus in Schutt und Asche zu legen. Doch da in Roland Emmerichs Sci-Fi-Spektakel dieses unantastbare Symbol der US-amerikanischen Demokratie nur um den Preis weltumspannender Zusammenarbeit zerlegt wird, wird dieses Bild im Nachhinein entschärft. Denn in der Schlußszene von Independence Day, die von Anfang an absehbar ist, wird unter der Führung des Präsidenten (Bill Pullman) im F-18 Bomber den technisch weit überlegenen Aliens doch noch der Garaus gemacht. So schlägt sich Independence Day auf die Seite der UNO, aber unter Führung der USA.
Was man auch von dieser Annäherung der Weltgemeinschaft angesichts eines Feindes von Außen halten mag, der Kampf gegen die „Alienation“ behält einen schwer unkorrekten Beigeschmack. Denn die mehrfach in Independence Day angesprochene Überfremdung ist in den USA wie hierzulande ein unappetitlicher politischer Kampfbegriff geworden. Und woher die aggressiven Fremden wirklich kommen, das macht Independence Day über die Dekors der Raumschiffe deutlich. Nicht umsonst erinnern Mutterschiffe wie Ufos in ihrer Archaik an die untergegangenen Städte des Aztekenreichs. Auch wenn die glibberigen Monster kein mexikanisch sprechen, erzählt Stuck und Symbolik der Flugkörper so von der Angst vor einer „Alienation“ durch die Hispanos.
Aber nicht nur die Staaten rücken angesichts dieser Bedrohung enger zusammen, sondern auch die drei Paare des Films – darunter auch ein afro-amerikanisches Modellpaar, das im Gegensatz zu den Hispanos Innen steht. Öden sie sich gelinde gesagt ziemlich an, so führt die Bedrohung die Mannsbilder nicht nur zu unerwarteten Höchstleistungen, sondern produziert vor dem Hintergrund der schrottreifen Ufos Paare und Kernfamilien mit recht patriotischen Werten. Sogar der grüne Computertüftler David Levinson (Jeff Goldblum, Foto) tauscht seine „Save-The-Planet“-Attitude, die sich mit der Entsorgung von Cola-Büchsen aufhält, gegen die militärische Entsorgung der Fremdlinge ein.
Dazwischen hat Emmerich die Leinwand prall angefüllt mit Feuersbrünsten, taumelden Wolkenkratzern und Schatten, die sich erhaben über ganze Städte wälzen. Neben diesen starken Bildern wurden flugs die bekannten Szenen aus Alien, Krieg der Sterne, Abyss und einigen B-Movie-UFO-Filmen am Computer recycelt. Mit großen Kinderaugen und gänzlich ungebrochen blickt dabei der schwäbische Regisseur auf die Mythologie seiner Wahlheimat. Und man staunt unter der Hand mit.
Volker Marquardt
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