In weiter Ferne so nah

■ Das "Auslandsjournal" wird heute 20 Jahre alt

In Zeiten, wo das Fernsehen einen immer kürzeren Atem hat, wo selbstherrliche Programm-Götter Sendungen von heute auf morgen ins Aus katapultieren, weil die Quoten nicht stimmen, sind 20 Jahre ein beachtliches Alter. Für ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser ist das auslandsjournal auch mehr als nur irgendein Bestandteil seines Programmes, es ist, so Bresser pathetisch, eines der letzten großen „Aushängeschilder des öffentlich-rechtlichen Journalismus“.

Woche für Woche berichtet das Magazin mit dem kleinen gelben „a“ als Logo über die Ereignisse in der Welt – „aktuell und hintergründig, analytisch und unterhaltsam“ (so zumindest das ZDF). In den zwei Jahrzehnten schickten die ZDF-Auslandskorrespondenten 4.300 Beiträge in die Mainzer Heimatredaktion. In 18 Ländern der Welt unterhält das ZDF heute Büros, es waren schon mal mehr.

Die 999. Ausgabe der globalen Wochenschau dreht den Datumsanzeiger noch einmal bis ins Jahr 1973 zurück: Vietnamkrieg, „Jom- Kippur-Krieg“, autofreier Sonntag in L.A. Zu diesen Ereignissen und ihren Folgen bis zur Gegenwart sind Beiträge geplant.

Damals wie heute – die Ziele sind kaum verändert. Statt täglich kleingehäckselter Nachrichten, die an uns vorbeirauschen, sollen die Reporter in Peking, Tel Aviv oder sonstwo große Zusammenhänge aufzeigen. Joachim Holtz, seit März Leiter der Hauptredaktion Außenpolitik und neben Dietmar Ossenberg Moderator des auslandsjournal, will „kein plumpes Sackhüpfen rund um den Globus, sondern ein gutes Stück Aufklärung“. Der Ex-Korrespondent, der für das ZDF in Ost-Berlin, Moskau und New York war, weiß: „Was mit eigenen Augen gesehen, was selbst erlebt wird, läßt sich besser – und glaubwürdiger – einschätzen und berichten.“

Freilich gelingt das nicht immer. Selbst ausgebuffte Journalisten wurden von geschickten Despoten instrumentalisiert und hinters Licht geführt. Der Golfkrieg, der im Fernsehen geführt und entschieden wurde, hat das zuletzt ganz deutlich gemacht. Fernsehen in Schallgeschwindigkeit läßt keine Zeit zur kritischen Überprüfung. Vom Sofort-Fernsehen ist das auslandsjournal aber noch Lichtjahre entfernt.

Die Welt ist kleiner, aber auch komplizierter geworden; was gestern richtig war, ist heute falsch. Gut und Böse – wer mit diesen Kategorien noch operiert, macht sich lächerlich. Korrespondenten wissen das am besten. Sie erfahren es tagtäglich. Die alten Blöcke existieren nicht mehr, das alte Ost- West-Denken hat ausgedient, das entsprechende ideologische Vokabular ebenfalls.

Krieg, Umsturz, Putsch, all das gehört längst zu unserem telematischen Alltag. Und so zynisch es klingt, dem auslandsjournal werden die Themen wahrscheinlich niemals ausgehen. Was allerdings häufig ärgerlich ist, sind die Sendungen, die nach einer Proporz- Dramaturgie ablaufen: je ein Bericht aus den USA, aus Rußland, Europa, (Nord-)Afrika und die bunte Nummer zum Schluß. Und jeder Beitrag sieben Minuten lang, die Standardlänge im auslandsjournal. Oft hätten „Dreiminüter“ gereicht, während andere Reportagen featurefähig waren. Aber das soll in Zukunft ganz anders werden. Joachim Holtz verspricht zumindest: „Wir verändern den Rhythmus und die Länge der Beiträge. Wir werden uns künftig auch mit Themen befassen, die man sonst in anderen Kästen unterbringt: Kultur und Umwelt zum Beispiel.“ Das Facelifting kommt spät. Das Publikum schrumpft seit Jahren. Im Durchschnitt sind es noch drei Millionen Zuschauer, die das auslandsjournal sehen wollen. Als ARD und ZDF die Welt noch unter sich aufteilten, waren es fast doppelt soviele.

Woran es liegt? Zu viele Krisen-, Kriegs-, Katastrophenberichte? Oder pure Indifferenz? Ganz nach dem Motto: Was kümmert mich Äthiopien, Hauptsache mir geht es gut? Joachim Holtz, in Pommern geboren, meint: „Die Deutschen denken, sie seien Schweizer. Auf einer Insel, unberührbar vom Tosen der Welt. Das ist ein Irrtum. Der Blick auf den eigenen Bauchnabel mag ja Stolz wecken, den rechten Eindruck von der Wirklichkeit vermittelt er nicht. Kenntnis über Fremdes und Fremde macht die Relativität des eigenen Denkens und Erlebens klar.“

Sei's drum. Das auslandsjournal wird wie gewohnt jeden Montag um 21 Uhr in weiter Ferne so nah sein. Thomas Gill