: In vierzehn Monaten zum Renten-Millionär
■ Ausgeschiedener Bewag-Vorstand kassiert trotz Kritik an seiner nur knapp einjährigen Arbeit eine hohe Abfindung
Ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Berliner Energieversorgungs-Unternehmens Bewag hat sich seinen vorzeitigen Abschied vergolden lassen. Wie die taz jetzt aus Bewag-Kreisen erfuhr, erhielt Rudolf Streich zwischen einer und 1,5 Millionen Mark, damit er das Unternehmen nach nur 14 Monaten wieder verließ.
Streich hatte einen Fünf-Jahres- Vertrag als stellvertretendes Vorstandsmitglied unterzeichnet und seine Tätigkeit im Oktober 1991 aufgenommen. Bereits im Dezember 1992 quittierte er den Dienst, weil die Konflikte mit seinen vier Vorstandskollegen nicht auszuräumen waren. Streich – zuständig unter anderem für Verhandlungen mit Unternehmen und öffentlichen Institutionen – soll nach Einschätzung von Mitarbeitern den Interessen und Kontakten der Bewag eher geschadet als genützt haben. Erfahrungen auf Vorstandsebene hatte Rudolf Streich vor seiner Bewag-Tätigkeit nicht gesammelt. Beim norddeutschen Stromkonzern PreussenElektra hatte der promovierte Jurist die Rechtsabteilung geleitet.
Der ehemalige Bewag-Chef verdiente zwischen 300.000 und 400.000 Mark pro Jahr. Sein Gehalt und die Höhe der Abfindung bewegen sich im Vergleich zu anderen Unternehmen im normalen Rahmen. „Die Restlaufzeit des Arbeitsvertrages ist eine objektive Grundlage für die Abfindung“, sagte Bewag-Aufsichtsrat Ernst- Otto Kock, zugleich Sekretär der Berliner Gewerkschaft ÖTV, im Gespräch mit der taz. Streich selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die genaue Höhe der Abfindung läßt sich nicht ermitteln. Hinweise gibt allerdings der Geschäftsbericht der Bewag für das Jahr 1992/93, in dem Rudolf Streich ausschied. Der Bericht verzeichnet einen starken Anstieg der Ausgaben für Vorstandsmitglieder: Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Bezüge der aktiven Vorständler um 360.000 Mark auf insgesamt 2,8 Millionen und die Pensionszahlungen um 320.000 auf 1,3 Millionen.
Für Vorstandsrenten 17 Millionen zurückgelegt
Den größten Sprung machten die Rücklagen für die zukünftigen Pensionen ehemaliger Bewag- Chefs: Hier stockte das Unternehmen um fünf Millionen auf 17 Millionen auf. Hinter einem oder mehreren dieser Posten verbirgt sich das Abschiedsgeschenk.
Raum für Spekulationen also: Eine Gruppe kritischer Aktionäre der Bewag schließt nicht aus, daß die Abfindung für den zurückgetretenen Vorständler noch höher war als 1,5 Millionen Mark.
Diesen Vermutungen Vorschub leistet die Informationssperre, die leitende Bewag-Gremien in Sachen „Vorstandsbezüge“ verhängt haben. Weder Vorstandssprecher Thomas Möller noch Aufsichtsratsvorsitzender Werner Lamby liefern genaue Zahlen. Auch Manfred Schwarze, Chef des Betriebsrates, blockt ab: „Was haben wir damit zu tun?“
Daß die Chefetage selbst während der Bewag-Hauptversammlung im Dezember vergangenen Jahres keine Auskunft gab, hält Ruth Wenthur, eine kritische Aktionärin, im Hinblick auf das Aktiengesetz sogar für strafbar. Hannes Koch
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