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In tiefem Frust

■ betr.: "Engholm kieloben", "Ende einer Testfahrt", taz vom 4.5.93

betr.: „Engholm kieloben“, „Ende einer Testfahrt“,

taz vom 4.5.93

Daß Engholm nun doch mehr gewußt haben will, als ihm das Wahlvolk angesehen hat, ist schwer zu glauben. Warum soll er besser als ich über die Pfeiffer-Affäre informiert gewesen sein, wo selbst die ganze SPD-Spitze vergessen hat, daß die Partei ohne Wähler weniger wert ist als ohne Vorstandsvorsitzenden? Womöglich wird sich noch herausstellen, daß Lafontaine schon 1990 bei den Wählern einen „Willen zur Einheit“ bemerkt hat, daß Johannes Rau heimliche Umweltsorgen hegt (aber sich niemanden anvertrauen mag) und Gerhard Schröder nur deshalb mal für Rüstungskonversion war, weil er seinen Navy-Fetischismus zähmen wollte. Oh, arme SPD! Seit wann genau hat eigentlich Enghom geahnt, daß er sich nicht mehr trauen kann?

Eine um sich und das bißchen Rest-Gesellschaft besorgte SPD- Basis dürfte den Rücktritt ihres Vorsitzenden nicht einfach mit der Kür eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin quittieren. Sie sollte ernsthaft die Frage prüfen, ob SPD-Mitglieder überhaupt noch im Vorstand einer wählbaren SPD tragbar sind. Es gibt doch Alternativen, mit denen sich die SPD wieder einen Anflug von Realitätsbewußtsein verschaffen könnte und die weitaus risikoloser wären, als die Warteliste der eigenen Kandidaten (und Kandidatinnen) abzuarbeiten:

Die Grünen leihen der SPD, sagen wir für ein Jahr, Antje Vollmer als Vorsitzende aus, die CDU greift ihr im Gegenzug mit Heiner Geißler als Bundesgeschäftsführer unter die Arme. Warum? Weil davon alle profitieren würden. Ohne SPD wären die Grünen bald wieder in ihrer alten Schmollecke. Die CDU bräuchte sich nicht von 75 Prozent Wählerstimmen überrollen lassen (die schwerer zu bedienen sind als eine knappe Mehrheit). Und eine Handvoll Wähler, die dem grassierenden Parteienfrust bis jetzt widerstanden, bekäme endlich mal eine echte Alternative. Helmut Wiesenthal, Berlin

Was ist da für ein Wahnsinn gelaufen? Ein korrupter Politiker diffamiert seinen Rivalen, so schwer, daß er die Wahl verlieren soll. Jahre später geht es darum, ob das Opfer eine oder zwei Wochen vorher von diesem miesen Spiel gewußt haben soll. Meines Erachtens eine Lappalie, die man hätte klären können und dann wäre der Fall erledigt gewesen. Nichts davon. Eine reaktionäre Presse, die bereits Barschel hofiert hatte, fällt nun über das Opfer her und bauscht eine Sache auf, wo es nichts hochzubauschen gab. Die SPD-Genossen hatten wohl auch nicht soviel Mut, B. Engholm als Parteichef zu halten.

Es ist einfach unvorstellbar, was sich in unserer politischen Landschaft tut. Die politische Kultur geht den Bach runter, es siegt der, der mit Zähnen und Klauen seine Macht verteidigt. Nach dem Rücktritt Engholms geht das unwürdige Spiel weiter. Seine Nachfolger stehen in den Startlöchern, um die Töpfe der Macht zu erobern. [...] Karl-Heinz Kammertöns,

Dortmund

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