: In herzlicher Feindschaft
Lokalpatrioten Die taz-Redaktionen in Bremen und Hamburg haben lange gefremdelt. Weil man sich nicht sehen konnte?
legt Wert darauf, dass er die Stelle als Redaktionsleiter der taz.nord erst übernommen hat, als die Fusion der Lokalteile schon beschlossen war. Seit 29 Jahren wohnt er in Hamburg, unterbrochen nur durch vier Jahre bei der taz.bremen.
von Jan Kahlcke
taz bremen und taz hamburg, damals noch ohne Punkt, hätten Schwestern sein können. Oder beste Freundinnen. Beide Nachzügler im taz-Universum, beide in der taz-Peripherie gelegen und aus der Berliner Zentrale nicht selten skeptisch beäugt. Beide beackerten Hansestadtstaaten, die seit Jahrzehnten fest in den Klauen einer Beton-SPD waren, mit Seehäfen und deren Strukturproblemen. Gemeinsamkeiten, wohin man blickte. Könnte verbindend wirken – oder?
Aber es war ganz anders. Die beiden Lokalteile waren einander, das muss man wohl so sagen, in herzlicher Feindschaft verbunden. Aus Hamburger Sicht war die taz bremen ein Parvenü, fünf Jahre später gegründet und zwar den Kinderschuhen noch nicht ganz entwachsen, aber schon in der Pubertät verbürgerlicht. Die Bremer dagegen sahen in der taz hamburg ein autonomes Krawallblatt mit stark etatistischen Anwandlungen, ein unflexibles Dickschiff mit großem Wasserkopf.
Sprüche wie „Ihr habt ja noch nicht mal einen richtigen Fluss, geschweige denn einen Hafen“, waren eine der milderen Formen der Verächtlichkeit. Kooperation war ein Fremdwort und sollte, bitteschön, auch eins bleiben. Als eine schlaue Redakteurin auf die Idee kam, wenigstens Texte auf Anzeigenseiten auszutauschen, geriet sie unter Verdacht, zu fraternisieren. Am meisten ging noch zusammen beim gemeinsamen Veröffentlichen – und damit: Verarbeiten – traumatischer Weihnachtserlebnisse: Das Unbehagen an den bürgerlichen Elternhäusern war offenbar grenzüberschreitend.
Aber selbst gegenseitige Besuche selbstredend winziger Delegationen zu Festivitäten in der jeweils anderen Hansestadt blieben im Stadium stocksteifer Höflichkeitsbesuche stecken.
Und diese Redaktionen, diese Menschen sollten nun plötzlich zusammenarbeiten? 2006 war es so weit. Schon vorher waren einzelne Seiten unter der Kustode „nord“ erschienen. „Synergieeffekte“, würde man das wohl in normalen Unternehmen nennen. Aber nun stand es spitz auf Knopf: Die Lokalteile standen vor der Schließung, der letzte Ausweg war eine Fusion.
Es gibt diese Legende vom Treffen der beiden Redaktionsleiter: Man begegnete sich auf neutralem Grund, auf dem Bahnhof von Rothenburg/Wümme. Es dauerte nicht lange. Und einer der beiden setzte auch im Schummerlicht der Bahnhofsgaststätte die ganze Zeit seine verspiegelte Sonnenbrille nicht ab. Danach war die taz.nord aus der Taufe gehoben.
Eine Liebesheirat sieht anders aus. Und natürlich dauerte es ein paar Jahre, bis die innerredaktionellen Gräben halbwegs eingeebnet waren und das gemeinsame Erkunden der Fläche zwischen den Stadtstaaten und drumrum (auf Bremisch: „umzu“) gelegentlich sogar Spaß machte.
Kleiner Tipp für Firmen mit mehreren Standorten: Eine Videokonferenz wirkt Wunder. Denn wen man sieht, kann man nicht mehr so leicht dissen. Heute sind sich alle sicher, dass ein liebevoller Unterton mitschwingt, wenn ein Hamburger sagt: „Wahrscheinlich ist diese Marssonde wegen der in Bremen gebauten Komponente abgestürzt.“
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