„In fünf Jahren gibt es überall kV“

■  Grüne Tarife können die kostendeckende Vergütung für Solarstrom nicht ersetzen. In selten gesehener Geschlossenheit macht die Solarindustrie Druck beim Bundeswirtschaftsminister für das Aachener Modell

Während dieser Artikel entsteht, werden vermutlich in Ulm und Neu-Ulm die letzten Anträge auf kostendeckende Vergütung (kV) bewilligt. Doch ein Folgeprogramm ist nicht in Sicht; die Solarinstallateure in Ulm und Neu-Ulm werden sich anderen Aufgaben zuwenden müssen. Ein ähnliches Schicksal ereilte in den letzten zwei Jahren die Installateure in rund 30 Städten, darunter München, Lemgo und Soest, in denen für eine Zeit lang durch kostendeckende Vergütung eine starke Nachfrage nach Solarstromanlagen ausgelöst wurde und wieder in sich zusammenfiel, nachdem die Obergrenze des Programms erreicht wurde.

Derzeit wird nur noch in fünf Städten eine so hohe Vergütung für Solarstrom gezahlt, dass sich allein darüber die Anlagen refinanzieren: in Aschaffenburg, Aachen, Brühl, Heidelberg und Viernheim, hier allerdings nur für Gemeinschaftsanlagen, die allen Viernheimer Bürgern offen stehen. Hinzu kommen einige Städte, in denen die einst kostendeckende oder kostenorientierte Vergütung mit dem Verweis auf das 100.000-Dächer-Programm der Bundesregierung um 30 bis 50 Prozent gesenkt wurde, darunter Hamburg, Remscheid und ab Oktober auch Bonn.

Neben der Argumentation der Energieversorger, dass das Förderprogramm der Bundesregierung eine hohe Einspeisevergütung überflüssig mache, haben insbesondere kleine Stadtwerke Angst vor der Liberalisierung des Energiemarktes. Seit die Jagd nach Billigstrom-Schnäppchen zum Volkssport geworden ist, traut sich kaum noch ein Stadtwerkechef, den Strom durch nicht zwingend notwendige Ausgabe zu verteuern.

Dabei stehen Ausgaben für erneuerbare Energien auf der Steichliste ganz oben. So wurde beispielsweise im baden-württembergischen Balingen die Umlage der erhöhten Vergütung für Solarstrom auf Haushaltskunden zum 1. Juli dieses Jahres wieder rückgängig gemacht. Die Stadtwerke tragen die rund 300.000 Mark für die im Stadtgebiet gebauten 185 Kilowatt Solaranlagenleistung künftig wieder selber. Und damit der Posten nicht weiter wächst, wurde das Programm außerdem gestoppt. „Wir können nicht mehr“, so Harald Eppler, der die kostenorientierte Vergütung betreut.

Als Alternative bieten dafür immer mehr Energieversorger spezielle Öko-Tarife für sauberen Strom an. Die bekanntesten unter dem Begriff „Grüne Tarife“ zusammengefassten Angebote sind der Umwelttarif des RWE und der Zukunftspfennig des Bayernwerks. Doch beide Programme werden praktisch nicht angenommen. Während durch den Umwelttarif zwar bisher etwas über ein Megawatt Solaranlagen installiert werden konnten, wurde die gleiche Leistung in vergleichbarem Zeitraum im Versorgungsgebiet Ulm/ Neu-Ulm installiert. Mit dem Unterschied, dass das RWE zweieinhalb Millionen Haushaltskunden hat, Ulm und Neu-Ulm zusammen rund 100.000. Auch in Bonn, München und Aachen wurde durch das Konzept der kostendeckenden Vergütung rund je ein Megawatt installiert. Dagegen werden im Rahmen des Zukunftspfennigs bisher ganze 19 Solarstromanlagen gefördert.

In Deutschland sind bis Ende letzten Jahres Solarfabriken mit einer Produktionskapazität von 25 Megawatt aufgebaut worden, produziert wurden aber 1998 nur 6,4 Megawatt. Im November wird die Shell Solarfabrik in Gelsenkirchen mit weiteren 25 Megawatt in Betrieb genommen, ohne dass der Markt in Deutschland substantiell gewachsen wäre. Daran wird auch das 100.000-Dächer-Programm nichts ändern, wie sich bereits abzeichnet. Kein Wunder also, dass die Solarindustrie das Ende der kostendeckenden Vergütung mit Sorge beobachtet. Würde bundesweit eine kostendeckende Vergütung für Solaranlagen eingeführt – und viele Kommunen insbesondere in Bayern wollen eine erhöhte Einspeisevergütung zahlen, haben aber keine eigenen Stadtwerke –, könnte problemlos ein Gigawatt Solaranlagen installiert werden, ohne dass die derzeit zu beobachtende Strompreisenkung auch nur annähernd ausgeglichen würde. Aus diesem Grund haben die Top Ten der deutschen Solarindustrie – darunter ASE, BP Solar und Shell – in seltener Geschlossenheit ein Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Müller aufgesetzt, in dem eine erhöhte Vergütung von Solarstrom von rund einer Mark gefordert wird. Zusammen mit dem 100.000-Dächer-Programm könne so eine Solaranlage fast wirtschaftlich betrieben und der dringend benötigte Absatzmarkt geschaffen werden. Als Köder wurde dem Wirtschaftsminister die Senkung der Modulkosten um die Hälfte in Aussicht gestellt. Lediglich Siemens Solar hat das Schreiben nicht unterzeichnet, ärgert sich der Geschäftsführer eines Modulherstellers über den Siemens-Kollegen Gernot Oswald.

Ob die Initiative kurzfristig Erfolg hat, ist jedoch zweifelhaft, denn Unterstützung kommt bisher lediglich von Bündnis 90/Die Grünen. Deren forschungspolitischer Sprecher, Hans-Josef Fell, will bei der anstehenden Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes eine Vergütung in der von der Solarindustrie geforderten Höhe einführen. Durch die Umlage auf die Netzbetreiber würden sich für die deutsche Energiewirtschaft auch keine Wettbewerbsnachteile ergeben, so Fell. Und dann, so hofft er, „haben wir in fünf Jahren bundesweit kostendeckende Vergütung“. Anne Kreutzmann