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In eigener Sache Von Carola Rönneburg

Gegen abscheulich kühle und farblose Sonntage helfen gewöhnlich die die drei großen Ws: Wolldecke, Wälzer und Weicher Stofffrosch. Leicht jammerig steht man vor dem Regal, die Decke bereits kapuzenartig über den Kopf gezogen, und sucht in der Abteilung Lieblings- und Sicherheitsbücher nach einer schönen Geschichte. Die soll gemeinsam mit dem handlichen Frosch auf dem Sofa gelesen werden, bis die Welt sich gefälligst von selbst erholt hat. Mal sehen – vielleicht „Oliver Twist“. Oder „Rattus Rex“. Oder... nein. Doch, jetzt weiß ich es! „Micky Finn“ von Elliot Paul möchte ich lesen und über Kunstraub und Chaos kichern.

Bloß, das Buch steht nicht an der Stelle, wo es hingehört. Mir schwindelt. Ich habe „Micky Finn“ verliehen. Aber wann? An wen? Und vor allem, warum? Erneut mit drei „großen“ Ws konfrontiert, läßt sich wenigstens die letzte Frage beantworten. Weil eigentlich jeder einmal „Micky Finn“ gelesen haben sollte; weil „Micky Finn“ eine gute Antwort auf die Frage „Kannst du mir nicht einen prima Krimi leihen“ ist. So verschwinden nämlich Lieblingsbücher: Am Ende eines Abends steht mein Gast auf, hüllt sich in seinen Mantel oder ihre Jacke und wünscht sich ein Buch.

Man hilft ja gern, murmele ich düster in die Wolldecke, während mir weitere Titel einfallen, die auf diese Weise das Haus verlassen haben und bisher nicht zurückgekehrt sind.

Aber zurück zu „Micky Finn“. Wie finde ich heraus, wer den Roman gefangenhält? Soll ich Florian, Volker, Nicole, Stefanie usw. anrufen? Nachforschen, ob sie vielleicht „zufällig vergessen“ haben, daß sie in den letzten Monaten dieses oder auf jeden Fall doch ein anderes Buch von mir geliehen haben? Ich kenne die Bande – die werden sich natürlich nicht mehr erinnern können, aber freundlich versprechen, einmal nachzusehen. Und das in der selben Sekunde schon wieder vergessen.

Nein, hier ist Eigeninitiative gefragt. Man muß es den falschen Freunden auf den Kopf zusagen: „Volkerrrrrr! Du hast ,Micky Finn' konfisziert!“ Dann kriegt Volker einen roten Kopf und ich mein Buch zurück. Vielleicht aber auch nicht. „Moi?“ wird Volker empört kreischen, beleidigt sein und mir infolge des Affronts nicht einmal die Bücher zurückgeben, die ihm nicht gefallen haben. Also wie weiter? Möglicherweise ist eine Hausdurchsuchung, getarnt als Gegenbesuch, die bessere Methode. Ha! Eine Verabredung zu Kaffee und Kuchen werde ich treffen und dann harmlos durch die Räume spazieren. „Oh“, werde ich dann entzückt, voller hervorragend gepielter Überraschung, vor Stefanies Bücherregal ausrufen, „,Micky Finn'! Das habe ich auch!“ Und kurz darauf, weil ich nämlich zufällig mein Exlibris entdeckt habe: „Na, so was! Das ist ja sogar meins!“

Doch, das könnte klappen. Im Geiste führe ich die Operation Rückübertragung fort. Bei Florian komme ich mit einem leeren Koffer „auf einen Sprung“ vorbei, täusche einen Schwächeanfall vor und bitte ihn mit schwacher Stimme um ein Glas Wasser. Bis der Booknapper aus der Küche zurück ist, habe ich...

Ach, blöder Sonntagstraum. Herr Stofffrosch und ich sitzen deprimiert auf dem Sofa. Florian, Volker, Nicole, Stefanie: Wir wollen „Micky Finn“ wiederhaben!

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