In der falschen Zeit

■ Beim HSV steht jetzt auch Benno Möhlmanns Vorgänger Gerd-Volker Schock vor dem Aus Von Rainer Schäfer

Ein Foto und die beliebte Unterzeile: Gerd-Volker Schock verdient 19.000 Mark im Monat. „Da wird ständig ein negativer Touch erzeugt“, grollt der 45jährige, verantwortlich für die Amateurmannschaft und Nachwuchsarbeit beim HSV. Für weniger Geld, wie er betont. Schock gilt nicht als einer der Heilsbringer, von denen in der HSV-Gemeinde Bildchen mit Versprechen auf Erlösung verteilt werden. Im grotesken Machtübernahme-Marathon des Uwe S. gehört er zu denen, deren Tage beim einstigen Renommierklub gezählt zu sein scheinen.

Als „Amateur-Mafia“ gelten Gerd-Volker Schock und Amateur-Ligaobmann Horst Eberstein. Für den gebürtigen Bad Schwartauer eine Intriganz, die vereinsintern angeheizt wird. „Harry Bähre hat schon vor zehn Jahren gegen mich geschossen. Ich kann gute Arbeit leisten, er ist immer gegen mich.“ Von Bähre, der unter dem neuen Präsidenten Uwe Seeler die Amateurabteilung leiten soll, trennt Schocker eine veritable Männerfeindschaft. So wird Schock seinen bis 1998 laufenden Vertrag wohl nicht erfüllen können. Die Bild-“Zeitung“, Agitprop-Abteilung der neuen Führungscrew, vermutet, daß der „Minenleger“, so Ex-Trainer Benno Möhlmann über Bähre, nach der Jahreshauptversammlung beim HSV „aufräumen“ werde. Als Interims-Lösung für den am vorigen Donnerstag entlassenen Möhlmann war Schock jedenfalls nicht vorgesehen. Seeler & Co. setzen auf Felix Magath, den Co-Trainer, der immer zusammenzuckt, wenn man ihn nur streng genug anblickt. Ohnehin hätte Schock Möhlmann nicht beerben wollen: „Das kommt für mich nicht in Frage. Ich stehe loyal zu Benno.“ Nur auf präsidiale Weisung hätte er das Training vorübergehend geleitet.

Gerd-Volker sei „nicht der Fleißigste“, lanciert die Seeler-hörige Medienfraktion. Für Schock, der „immer für den Fußball gelebt hat“, ein schlechter Witz. Seit seinem Amtsantritt im Juli 1995 ist er meist die ganze Woche unterwegs, um Talente zu sichten. Nur läßt sich Erfolg nicht in Kilometern rechnen. „Ich hab noch nicht das bewegt, was ich mir vorgestellt habe“, gibt er sich selbstkritisch. Die Talente, die er ausgespäht hatte, sagten ab. „Der HSV ist derzeit nicht interessant für junge Spieler.“ Schon einmal hatte Schock gutes Gespür bewiesen. Karsten Bäron, Richard Golz, Stefan Schnoor und Carsten Kober sind einige der Akteure, die unter seinen Fittichen Bundesligareife erlangten, nachdem Schock 1984 beim HSV angeheuert hatte.

Schocker gilt als „harter Hund“. Das beziehe sich, meint der kantige Holsteiner, „weniger auf meine Arbeit als auf meine Reaktionen auf einen bestimmten Journalismus“. Was er als Fußballehrer zu vermitteln sucht, sind Werte, die ihm bei der eigenen Sozialisation vermittelt wurden und ihm später nützlich waren. Als 18jähriger stand er beim Zweitligisten VfB Lübeck mit Spielern im Team, die mindestens zehn Jahre älter waren. „Damals war Fußball noch ein Männersport.“ Eine Aufgabe für ganze Kerle, die auf dem Platz zur Sache gingen, sich anschnauzten, bei der gemeinsamen Dusche wieder vertrugen und spätestens beim Bier wieder zum Männerbund zusammenwuchsen. „Heute zählt die Show außerhalb des Rasens oft mehr als die Leistung. Fußball ist nur noch der Versuch, Männersport zu betreiben.“

Den Herbergeresken Verhaltens- und Sittenkodex sieht er immer noch als probates Mittel an, sich im Fußballgeschäft durchzubeißen. Bundestrainer Vogts habe recht, wenn er die junge Fußballergeneration als „verzogene Wohlstandsjünglinge“ verdächtige. „Gut Fußballspielen ist Charaktersache“, kommt es ohne Zögern. Mannschaftsdisziplin ist ihm wichtig. Seine Charakterschulung zielt deshalb darauf ab, Egoismen abzubauen: „Meine Spieler müssen erkennen, daß sie nur als Gemeinschaft zum Erfolg kommen“, sagt der einstige Torjäger in Osnabrück und Bielefeld.

Als Cheftrainer des HSV trat Schock nach zweijähriger Tätigkeit im März 1992 zurück. Um Thomas Doll hatte er ein Team geformt, das überraschend im Uefa-Cup mitspielte. „Wir haben Doll verkauft“, teilte der damalige Präsident Jürgen Hunke, auf Kur in China, dem in Costa Rica urlaubenden Schock am Telefon mit. Wieder von vorne anfangen, eine neue Mannschaft aufbauen? „Das mußte ich mir nicht antun“, sagt der Konsequente. In den Bundesligazirkus will er nicht mehr zurückkehren, zu harsch scheinen ihm die Methoden. „In ein paar Jahren muß ein Trainer wahrscheinlich auf der Bank stehen, mit Bällen jonglieren und dabei lachen. Und wenn er verloren hat, sich überhaupt nichts anmerken und fertigmachen lassen.“ Den Ansprüchen der Medien gerecht zu werden, werde immer schwieriger. Und sich „anzubiedern“, ist nicht sein Ding. Ein bißchen verloren wirkt er. Beinahe wie einer, der in der falschen Zeit lebt.