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In der Nachfolge Özals

■ Türkei: Wahl des Staatschefs beginnt

Istanbul (taz) – Am heutigen Samstag wird das türkische Parlament den ersten Anlauf zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten machen. Die Neuwahl war durch den plötzlichen Tod von Turgut Özal am 17. April notwendig geworden. Es gilt als sicher, daß der 68-jährige Ministerpräsident Süleyman Demirel spätestens im dritten Wahlgang am 16. Mai – noch rechtzeitig vor dem Kohl-Besuch – zum Staatschef gewählt wird. Die Fraktion der konservativen „Partei des rechten Weges“, der Demirel vorsteht, hat ihn einstimmig nominiert. „Wir schlagen einen Mann vor, der jahrelang die Fahne der Demokratie hochgehalten hat“ sagte der stellvertretende Fraktionschef Günes Müftüoglu.

Der Parteichef der „Sozialdemokratischen Volkspartei“ Erdal Inönü, der nach den Wahlen im Herbst 1991 eine Koalition mit Demirel eingegangen ist, hat angekündigt, daß er die Präsidentschaft Demirels unterstützen werde. Allerdings hat es ihn viel Mühe gekostet, seine Abgeordneten zur Stimmabgabe für Demirel zu gewinnen. Denn viele Sozialdemokraten sehen die Koalition nach dem notwendigen Abgang Demirels als Ministerpräsident gefährdet. Außerdem befürchten sie, daß Demirel – seinem Vorgänger Özal gleich – als Staatspräsident versucht sein könnte, die Regierungspolitik von oben herab zu bestimmen. Um die Kritiker zu beschwichtigen, erklärte Demirel, er sei „gegen eine Fernbedienung der Partei und der Regierung“ und werde sich aus der aktuellen Tagespolitik heraushalten.

Die Oppositionsparteien haben von Anfang an gegen Demirels Präsidentschaftskandidatur mobil gemacht. Die Mutterlandspartei hat den ehemaligen Außenminister Kamran Inan als Gegenkandidaten aufgestellt.

Noch vor der Wahl Demirels zum Staatspräsidenten ist der Kampf um die Nachfolge des Premiers entbrannt. Sozialdemokrat Inönü wird das Amt vorübergehend verwalten. Nach dem türkischen Parteiengesetz muß die „Partei des rechten Weges“ binnen 45 Tagen einen neuen Parteivorsitzenden wählen. Wer neuer Parteichef und somit auch neuer Ministerpräsident wird, steht noch offen. Bislang schweigt sich Demirel über seinen Wunschkandidaten aus. Doch entgegen seinem Versprechen, sich nicht mehr in die Parteipolitik einzumischen, hat Demirel bereits die Weichen für den außerordentlichen Parteitag gestellt. Offensichtlich will er verhindern, daß der türkische Parlamentspräsident Cindoruk Parteiführer und somit auch Premier wird. Im Gegensatz zu Politikern wie dem türkischen Innenminister Sezgin, der Demirel völlig ergeben ist, hat sich Cindoruk als integerer und unabhängiger Politiker einen Namen gemacht. Ömer Erzeren

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