: „In Turnschuhen dabei“
■ Sondersitzung des Rechtsausschusses des Abgeordnetenhauses zur Auflösung der Politischen Staatsanwaltschaft / Staatsanwälte- und Richterbund dagegen
Das Geziehe und Gezerre um die leidige Frage der Auflösung der berüchtigten politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft wurde gestern in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses des Abgordnetenhauses fortgesetzt, zu der insgesamt zwölf Vertreter der Staatsanwaltschaft, Richter und Strafverteidiger geladen waren. Obwohl nur bekannte Argumente vorgebracht wurden, versprach Justizstaatssekretär Schomburg vor der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses im kommenden Jahr - keine Entscheidung zu treffen.
Die beiden alten Generalstaatsanwälte beim Land- und Kammergericht, Schulz und Treppe, machten gestern keinen Hehl daraus, daß eine Auflösung der P-Staatsanwaltschaft nur über ihre Leichen erfolgen könne. Treppe sprach von einer beispiellosen Kampagne und einem Kesseltreiben gegen die Mannen und Frauen der P-Abteilung. Die P-Abteilung habe hervorragende Arbeit geleistet und sei dafür bislang von allen Justizsenatoren gelobt worden, weil dies ein „vorzüglicher“ Beitrag zur Sicherung des Rechtsfriedens gewesen sei. Als Beispiel nannte Treppe die Bekämpfung der Hausbesetzer, Demonstranten, Kaufhaus-Brandstifter und Fußballfans. Es gebe „überhaupt keinen Grund“ für einen „ersatzlosen Wegfall“ der P-Abteilung, fand Treppe, und sprach sich vehement für die Beibehaltung des Status quo aus. Das einzige, was er hinnehmen würde, sei daß die Arbeit der P-Abteilung auf drei Kerngruppen verteilt werde, die aber in jedem Fall in einer Hauptabteilung belassen werden müßten. „Das ist das äußerste, was von den Kollegen akzeptiert und von mir mitgetragen wird“, drohte Treppe. Schließlich habe er mit 14 Dienstjahren genug Erfahrung, um zu wissen, wovon er rede.
In das gleiche Horn stieß auch der Vorsitzende des Richterbundes, Victor Weber, der selbst viele Jahre Staatsanwalt in der P-Abteilung war. Wie gut diese Abteilung gearbeitet habe, zeige sich schon daran, daß es in der Zeit der Hausbesetzerbewegung keine einzige Beschwerde gegen einen Staatsanwalt, der an einer Hausdurchsuchung teilgenommen hatte, gegeben habe. Diese Behauptung wurde von dem Vorsitzenden des Republikanischen Anwaltvereins, Wolfgang Wieland, auf das heftigste zurückgewiesen. Er erinnerte an den damaligen P-Staatsanwalt und späteren Staatssekretär Müllenbrock, der „in Turnschuhen bei fast jeder Hausbesetzung dabei war“ und unter dessen Ägide „klammheimlich geräumt wurde“. Die P-Staatsanwaltschaft habe „über Jahre selbst Politik gemacht“. Das habe sich verhängnisvoll auf die Stadt ausgewirkt, weil damit jegliche Deeskalationsstrategie zunichte gemacht worden sei.
Ebenso wie Wieland sprach sich auch der Vorsitzende der Strafverteidigervereininigung Hajo Ehrig gegen das Vorhaben aus, eine Spezialabteilung für „Gruppengewalt“ zu bilden. Anhand von Statistiken aus Hausbesetzer- und Krawallprozessen belegte Ehrig, daß die P-Staatsanwälte damals vor lauter Übereifer blind geworden seien. So sei beispielsweise bis zum Oktober 1987 von 31 „Krawallbeschuldigten“, von denen 21 in Untersuchungshaft gesessen hätten, nur ein einziger ohne Bewährung verurteilt worden. Demgegenüber habe die P-Abteilung 15 Strafen ohne Bewährung während der Verfahren beantragt. „Diese abweichenden Urteile sprechen eine deutliche Sprache“, meinte Ehrig.
plu
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