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■ StandbildIn Serie gegossen

„Auf eigene Gefahr“, (letzte Folge) Di., 20.15 Uhr, ARD

Die amerikanische Autorin Marcia Muller gilt als founding mother des modernen Frauenkrimis. Mit ihrer Heldin Sharon McCone, einer Privatdetektivin in San Francisco, hatte sie eine Identifikationsfigur vor allem für ihre Leserinnen geschaffen. Es dauerte zehn Jahre, bis das neue Genre Deutschland erreichte, seit 1990 boomt auch hier der Frauenkrimi-Markt.

Christine Grän, mittlerweile eine der bekanntesten deutschen Krimiautorinnen, war die erste, die ihre Romanfigur, die Klatschkolumnistin Anna Marx, an einen Fernsehsender verkaufte. Der Pilotfilm der 13teiligen Fernsehserie „Auf eigene Gefahr“ ließ das Schlimmste befürchten. Die Fans der Anna Marx zeigten sich von der Besetzung der Hauptrolle mit der Schauspielerin Thekla Carola Wied entsetzt. Sogar Mord wurde der Produzentin Regina Ziegler vorgeworfen.

Viel mehr als nur die voluminöse Figur hatte die Heldin Anna Marx für die Fernsehversion abspecken müssen. Übrig blieben von der Romanfigur letztlich nur ihr verheirateter Liebhaber, das Bonner Bonzenmilieu und ihr Job bei einer Tageszeitung. Doch überraschenderweise konnte man sich mit der Zeit an Thekla Carola Wied als Anna-Marx-„Ersatz“ gewöhnen. Folge für Folge emanzipierte sich die Fersehfigur mehr von ihrer geschriebenen Vorlage, und entwickelte – ausgestattet mit diversen sympathischen Eigenheiten, die vom starken Geschlecht so gerne als typisch weibliche Schwächen abqualifiziert werden – durchaus ein serienfähiges Eigenleben. Am Ende wartete man regelrecht auf ihre permanente Unpünktlichkeit, die unüberwindbare Schusseligkeit und darauf, daß die riesigen Ohrklunker wieder lautstark mit dem Telefonhörer kollidierten, um dann abgezupft im Schreibtischchaos zu verschwinden. Da war Annas Strategie, die männlichen Kollegen und Kommissar Hermes (Ulrich Pleitgen) bei ihren Ermittlungen einzuspannen: Geschickt nutzte sie dabei auch im Privatleben die übersteigerten Eitelkeiten der potenten Herren aus. Und genau das unterscheidet Anna Marx so angenehm von den harten Ballermännern im herkömmlichen Fernsehkrimi.

Alles nur Klischees, mögen einige Gelegenheitszuschauer kritteln, doch in Serie gegossen, wurde Anna Marx am Ende regelrecht fernsehtauglich. Caroline Schmidt-Gross

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