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In Sachen Americana

Es verwundert nicht wirklich, dass Manon Kahle sich in Berlin zunächst fremd fühlte, als sie vor 14 Jahren in die Stadt kam. Denn die Musikerin und Schauspielerin ist in einer ländlichen Gegend in Neuengland im nordöstlichen Zipfel der USA aufgewachsen, wo sie in ihrer Familie und in Chören sang, Holzschuhtanz lernte, eine Contradance-Band hatte und mit Folk- und Americana-Traditionen vertraut gemacht wurde.

Auch, um sich ein bisschen alte Heimat in die neue Heimat zu holen, gründete Kahle vor einigen Jahren gemeinsam mit dem Berliner Saxofonisten Uli Kempendorff und der Schweizer Sängerin Lucia Cadotsch die Band Yellow Bird. Bei Yellow Bird, die in diesen Tagen ihr zweites Album „Edda Lou“ veröffentlichen, klingt ihre Prägung mehr als deutlich durch. Country, Bluegrass, früher Rhythm and Blues und auch mal getragener US-Folk sind darauf zu hören. Kahle spielt Ukulele, Banjo und Fiddle, für den Gesang zeichnen vor allem sie und Cadotsch verantwortlich.

„Edda Lou“ klingt wie eine Kurzschulung in Sachen Americana für all jene, die wissen wollen, welch reiche Schätze die US-Musikkultur des 20. Jahrhunderts bereithält. So kommen einem ganz unterschiedliche Musikerinnen und Musiker in den Sinn, wenn man die luftig klingenden Stücke hört. Bei „Blue Cowboy“ muss man für einen Moment an Don McLeans „American Pie“ denken, bei „Mobile Girl“ vielleicht eher an Songs von Dolly Parton, bei anderen Liedern hat man Folk-/Country-Urväter wie Woody Guthrie oder Willie Nelson im Ohr. Stücke wie „Black Train“ oder „Rust and Bones“ klingen wie zeitlose Old-Time-Music-Balladen.

„Edda Lou“ ist ein schweres und ein leichtes Album zugleich. Lieder wie das genannte „Black Train“ oder „Lone Sailor“ tragen, man ahnt es angesichts der Titel, eine tiefe Melancholie in sich, man hat Bilder von einsam durch die Landschaft schlendernden oder eben über die Reling gebeugten Männern vor sich; auch „Miss Miss“ hat etwas Düsteres. Dann aber sind da auch das groovig-lässige „Apple Tree“ zu Beginn und „Blue Cowboy“ mit seinen Harmonien und Sopranstimmen, die fluffig-federnd daherkommen und die die sonnige Seite des Americana durch die Lautsprecherboxen schicken.

Jens Uthoff

Yellow Bird: „Edda Lou“ (Enja/ Soulfood), Release: 15. 3., 20 Uhr, Ballhaus

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