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In Ruanda hat alles Priorität

Bislang sind nur einige zehntausend Flüchtlinge aus Zaire in ihre Heimat zurückgekehrt / Eine medizinische Versorgung gibt es nicht / Regierung fürchtet Ausbreitung der Cholera in Ruanda  ■ Aus Kigali Bettina Gaus

Es ist genau zehn Tage her, daß das UNO-Flüchtlingswerk UNHCR die Notleidenden in der zairischen Grenzstadt Goma aufgefordert hat, in ihre Heimat Ruanda zurückzukehren. Nur einige zehntausend sind dem Aufruf bisher gefolgt – viele sind zu schwach, um die knapp 190 Kilometer bis zur Hauptstadt Kigali zu Fuß zurückzulegen, wo internationale Organisationen medizinische Versorgung anbieten.

Einige Flüchtlinge haben Glück: UNO-Lastwagen nehmen sie von Ruhengeri, rund 70 Kilometer von der Grenze entfernt, bis nach Kigali mit. Im Stadtzentrum werden sie abgesetzt. Die meisten laden ihre wenigen Besitztümer, verpackt in Bündeln und Pappkartons, auf die Köpfe und machen sich auf den Weg nach Hause. Schadrak Mbanziliza bleibt im Lastwagen sitzen: „Ich will auch zu meinem Haus zurückgehen“, meint der Koch. „Aber meine Frau und meine beiden Kinder sind krank. Sie liegen hier neben mir.“

„Im Augenblick ist jeder direkte Fahrzeugtransport von Flüchtlingen dumm, weil niemand weiß, ob die Leute Cholera haben oder nicht“, meint ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Und wenn sie erkrankt sind – welche Hilfe wird ihnen unterwegs zuteil?

Gar keine. MSF plant, zwischen der Grenze und Ruhengeri alle paar Kilometer medizinische Versorgungszelte aufzustellen. 100.000 Liter Infusionslösung, genug für voraussichtlich zehn Tage, liegen in Kigali bereit. Von der Hauptstadt zur Grenze führt eine gut ausgebaute Teerstraße. Der MSF- Mitarbeiter betont, alle Seiten zeigten sich „sehr kooperationsbereit“. Warum stehen die Zelte noch nicht? „Arbeiten Sie doch bei MSF mit“, gibt er zurück, und auch hartnäckiges Nachfragen entlockt keine viel konkreteren Informationen: „Wir müssen sehen, was gebraucht wird, und den Transport arrangieren.“ Ein UNO-Soldat, der die Strecke in den letzten Tagen mehrfach abgefahren ist, erzählt: „Am Straßenrand liegen Leichen. Niemand kümmert sich darum. Es gibt dort keine Organisationen für diese Aufgabe.“

Die neue Regierung in Kigali hat Angst vor der Ausbreitung der Cholera im eigenen Land. Die Wasserversorgung ist auch hier unzureichend, nur in wenigen Stadtteilen gibt es überhaupt fließendes Wasser. „Zurückkehrende Flüchtlinge sollten zunächst in Camps kommen, um dort medizinisch untersucht zu werden“, meint Premierminister Faustin Twagiramungu. Herve Le Guillouzil, medizinischer Koordinator des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK), hält dem entgegen: „Aus medizinischer Sicht sind Lager nicht die Lösung.“ Die Seuche könne sich an derartigen Stätten noch viel schneller ausbreiten.

Kritiker der Regierung fürchten außerdem, daß Lager für Heimkehrer nicht nur medizinischen Zwecken, sondern auch der politischen Überprüfung der Flüchtlinge dienen sollen. Es besteht die Gefahr, daß die Einrichtung von Camps auf Notleidende in Goma, die grundsätzlich zur Heimkehr bereit sind, abschreckend wirkt.

Sollten allerdings Hilfesuchende in großer Zahl nach Ruanda zurückkehren, dann droht auch hier eine humanitäre Katastrophe: „Alles hat Priorität – Nahrungsmittelhilfe, medizinische Versorgung, Wasser, alles“, meint Marjolains Martin vom IKRK. Ihre Organisation bemüht sich jetzt um den Wiederaufbau der teilweise zerstörten und geplünderten Krankenhäuser in Ruhengeri und in der Grenzstadt Gisenyi und um die Wasserversorgung in den beiden Orten. Eines der Hauptprobleme in Goma ist die allzu geringe Kapazität des dortigen Flughafens, über den allein die benötigte große Menge an Hilfsgütern nicht hereingebracht werden kann. Der Flughafen von Kigali, von den Kämpfen des Bürgerkrieges nur wenig in Mitleidenschaft gezogen, liegt über Stunden hinweg verlassen in der Sonne, ohne daß eine einzige Maschine landet. Aber die Aufmerksamkeit internationaler Medien und die damit erzeugte Spendenbereitschaft der Öffentlichkeit für verschiedene Hilfsorganisationen ist eben derzeit auch nicht auf Kigali gerichtet.

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