: In Pferdestärken übersetzte Emotionen
Unter Verzicht auf Bremsklötze wie Handlung oder Charakterentwicklung: Das Dienstagskino der KurzFilmAgentur zeigt ausgewählte Autoverfolgungsjagden im Kino – wer will, bringt seine Lieblingszenen auf Video mit
Drive, they said – die KurzFilmAgentur lässt im Dienstagskino die Motoren aufheulen. Spektakuläre Verfolgungsjagden aus der Filmgeschichte stehen auf dem Programm, was einen spannenden Rennabend vor der Leinwand verspricht. Zumal das Automobil vor allem im US-amerikanischen Spielfilm, den Western mal ausgenommen, seit jeher nicht nur Requisit ist, sondern neben Personen auch allerhand Dramatik transportiert. Schon in den 10er Jahren haben sich Mack Sennetts „Keystone Cops“ haarsträubende car chases geliefert, und heute sind aufwendig choreografierte PS-Paraden oft alleiniger Höhepunkt mancher Produktion.
Auch ambitionierte Arbeiten verlängern ihre filmhistorische Halbwertzeit durch den gelungenen Einsatz der kinematografischen Carrera-Bahn. So mag William Friedkins French Connection (1971) zwar eine gleichermaßen spannende wie kontroverse Melange aus Großstadtkrimi und Milieustudie sein, aber was tatsächlich über Jahrzehnte im Gedächtnis bleibt, ist Gene Hackmans halsbrecherische Vollgas-Tour unterhalb einer New Yorker U-Bahn-Trasse. John Frankenheimer wiederum verzichtete in Ronin (1998) lieber gleich auf Bremsklötze wie Handlung oder Charakterentwicklung, und verheizte seine veritable Starbesetzung in einem völlig hirnrissigen, aber durchaus kurzweiligen Crashtest. Da übernehmen Autos kurzerhand die Eigenschaften ihrer Fahrer – böser BMW, drolliger Mini, tapferer Peugot – und Emotionen werden einfach in Pferdestärken übersetzt.
Szenen aus diesen Klassikern werden mit Sicherheit zu sehen sein, daneben einiges aus dem Archiv. Allzu vertraute Verkehrsrüpeleien wie Blues Brothers sind nicht zu erwarten, stattdessen setzen die Veranstalter auf unverbrauchte Testpiloten. Darum ist jeder Gast aufgefordert, seine eigenen Favoriten auf abspieltauglichem Videomaterial mitzubringen. In jedem Fall taugen weder Film noch Auto etwas ohne die richtige Beschleunigung, was diese beiden Exponenten der Moderne zu idealen Partnern macht. Und wenn 24 Bilder pro Sekunde auf 240 Kilometer pro Stunde treffen, sollten gemächliche Gemüter den Sicherheitsgurt für ihren Kinosessel nicht vergessen. David Kleingers
heute, 21 Uhr, B-Movie (Eintritt frei)
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