■ In Nordirland wächst die Hoffnung auf einen Kompromiss: Die Wandlung des David Trimble
Es wird eng für David Trimble. Sechs seiner zehn Westminster-Abgeordneten haben seinen Pakt mit Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, bereits abgelehnt. Seine Hoffnungen ruhen nun auf der Tatsache, dass nicht die Abgeordneten über die Zukunft des Friedensprozesses entscheiden, sondern der Rat der Partei. Und der unterstützt meist den Parteichef.
Eins muss man Trimble zugute halten: Er hat sich vom reaktionären Hitzkopf fast zu einem richtigen Politiker gewandelt. Noch 1995 stand er Hand in Hand mit Ian Paisley auf den Barrikaden in Portadown, wo er für eine protestantische Parade durch ein katholisches Viertel kämpfte. Kurz darauf wurde er zum Parteichef gewählt: Blutrünstige Reden kommen bei den Unionisten immer gut an. Für den Friedensprozess verhieß Trimble nichts Gutes.
Derselbe Trimble sagt nun, es sei für Nationalisten legitim, ihr politisches Ziel eines vereinigten Irland zu verfolgen. Das mag lapidar klingen, doch für Unionisten ist dieser Satz keineswegs selbstverständlich. Das Negieren dieses Rechts war einer der Gründe für den Kampf der IRA. Die hat die Bedeutung der Trimble-Rede vom Dienstag durchaus erkannt und dem Friedensprozess ihr Plazet gegeben.
Mit seinem Pakt mit Sinn Féin geht Trimble ein Risiko ein, denn bisher hatte er darauf bestanden, dass man „gemeinsam springen“ müsse, dass also IRA-Waffenabgabe und Regierungsbildung gleichzeitig zu geschehen haben. Nun ist er offenbar bereit, allein zu springen und darauf zu vertrauen, dass die Abrüstung zügig auf die Einsetzung der Regierung mit Sinn-Féin-Beteiligung folgt. Seine Begründung für den Meinungsumschwung, dass er den Sinn-Féin-Verhandlungspartnern tief in die Augen geschaut habe, wird seine parteiinternen Gegner nicht überzeugen. Für sie war die Forderung nach Ausmusterung der IRA-Waffen nur eine Taktik, um so lange wie möglich am Status quo festzuhalten.
Solange die Unionisten über Hunderttausende legaler Waffen verfügen, solange die nordirische Polizei, die oft genug mit Mordkommandos gemeinsame Sache gemacht hat, nicht reformiert ist, hat die IRA keinen Grund, ihre Waffen abzugeben. Dass sie nun, zum Unwillen ihrer Basis, dennoch den ersten Schritt in Richtung Abrüstung macht, ist ebenso riskant wie Trimbles Kurs. Ralf Sotscheck
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