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„In Ihrer Regierung sitzt die Mafia!“

■ Italiens „Proletarische Demokratie“ denunziert zwei Minister als Mafiosi

Aus Rom Werner Raith

Mit dem Deuten heraufziehender Gewitter haben es Italiens neue Volksvertreter offenbar noch schwer: So saß nur ein Häufchen von gut zwanzig Deputierten im Plenum, als der allemal für Überraschungen gute Mario Capanna, Führer der linksextremen Partei „Proletarische Demokratie“, mit finsterem Gesicht das Wort in der Vertrauensdebatte für die Regierung Goria ergriff. Sekunden danach war es mit der betulichen Verdauungsruhe in Italiens Parlament im Palazzo Montecitorio vorbei - das Plenum füllte sich schlagartig, Journalisten rannten auf ihre Bänke. Direkt zum versteinert dasitzenden neuen Kabinettschef Goria gewandt, hatte Capanna gesagt: „Herr Ministerpräsident, in der von Ihnen geleiteten Regierung sitzt die Mafia, und zwar unserer Meinung nach nicht nur in Form von Mittelsmännern, sondern direkt. Mindestens zwei Minister arbeiten seit vielen Jahren mit dem organisierten mafiosen Verbrechen zusammen.“ Mittlerweise hat Capanna seine Behauptungen durch ein umfangreiches Dossier erhärtet. Danach sind der Christdemokrat Calogero Mannino, Transportminister, und der Republikaner Aristite Gunnella, Minister für Regionalangelegenheiten, die Mafiosi im Kabinett. Capanna lieferte recht eindrucksvolle Beweise: Auszüge aus Gerichtsakten und polizeiliche Ermittlungen, manche schon seit zehn Jahren im Gange, manche neueren Datums. Tatsächlich lassen sich darüber hinaus auch noch zahlreiche andere Indizien zumindest für eine intensive wechselseitige Sympathie der Mafia und der beiden Minister finden. In der Zone der Via Corso dei mille in Parlermo zum Beispiel, dem hargesottensten Mafiaquartier der Inselhauptstadt, war es faktisch nur einer kleinen Handvoll Kandidaten möglich, ihre Plakate zu kleben. Alle anderen wurden heruntergerissen, Klebekolonnen mit Schlägen vertrieben: Gunnella– und Mannino–Fans dagegen passierte nichts. Im Gegenteil: Sie zu wählen empfahlen sogar seit Jahren steckbrieflich gesuchte Mafiosi und vielfache Killer, deren Poster samt Wahlaufruf ungeniert in einigen Bars der Zone hingen. Die Verbindungen von Gunnella und Mannino zur Mafia sind auch persönlicher Art: Eine Reihe der von ihnen in Bankvorstände und staatliche Ämter gehievten Personen sitzen heute auf der Anklagebank des Mafia–Prozesses in Palermo: Enge Vertraute der mafiosen Ober–Steuerpächter der Insel (Nino und Ignazio Salvo) arrivierten umgekehrt zu Privatsekretären Gunnellas respektive Manninos. Es wäre nicht das erste Mal, daß Regierungsmitglieder als Mafiosi entlarvt würden - schon in den fünfziger Jahren rückte ein notorisches Mitglied der „Ehrenwerten Gesellschaft“ auf die Kabinettsliste: Bernardo Mattarella, Christdemokrat und ebenfalls Transportminister. Ein anderer christdemokratischer Minister, Giovanni Giola, durfte nach definitivem oberstem Gerichtsurteil sogar offiziell als „Mafioso“ bezeichnet werden. Die „Ehrenwerten“ im Kabinett Goria versuchten jedenfalls, den Spieß umzudrehen, und bezeichneten Capanna als „politischen Massenmörder“. Vor Gericht wird man sich wohl wiedersehen.

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