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In Handschellen an den Golf?

■ Wer Kriegsdienst verweigert, muß mit Repressalien rechnen / US-Priester berät

Der Count-Down für die US-SoldatInnen in der Kaserne bei Garlstedt läuft. Ihre Kriegsgeräte warten bereits in Bremerhavens Nordhafen auf die Verladung. „Auf jeden Fall noch vor Jahresende, vielleicht auch noch vor Weihnachten“, so der Presse-Offizier, sollen die über 4.000 SoldatInnen via Frankfurt nach Saudi-Arabien ausgeflogen werden. „Ich gehe davon aus, daß mindestens zehn nicht mit runter fahren werden. Es könnten auch gut 50 werden“, schätzt jedoch der Bremer Anwalt Reinhard Engel, der Verweigerer berät: „Weit über zwanzig Soldaten haben allein zu uns Kontakt aufgenommen. — Die meisten sind noch ganz jung, 18 bis 21, und haben wahnsinnige Angst zu töten.“

Um GIs, die nicht in den Krieg ziehen wollen, zu unterstützen, ist letzte Woche Dienstag ein US- Ordenspriester in Bremen eingetroffen. Gleich am Abend wurde Michael Baxter von anrufenden GIs mit Beschlag gelegt. Sieben von Baxters Anrufern sind inzwischen entschlossen, den dornenreichen, offiziellen Weg der „Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen“ zu gehen. Auf mindestens zehn Seiten müssen sie begründen, warum sie sich zum Pazifisten wandelten. Binnen 90 Tagen prüfen dann ein Militärgeistlicher, ein Psychiater und ein Offizier die Motive des Verweigerers — so will es zumindest die Vorschrift.

Sehr gewissenhaft, jeweils mindestens zehn Stunden lang, beriet Michael Baxter, der Ordenspriester in Jeans, in den letzten Tagen GIs. Gestern nachmittag machte sich der erste der Garlstedter GIs auf, um — von dem Priester begleitet — seinen Antrag abzugeben. Ob der Antrag jedoch vorschriftsmäßig entgegengenommen wurde, stand bei Redaktionsschluß nicht fest. „Ich habe Angst um die Leute“, erklärte gestern der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Martin Thomas: „Angst, daß die Jungs plötzlich weg vom Fenster sind und nicht mehr aus der Kaserne rauskommen, wenn sie den Antrag gestellt haben.“

Im Oktober hatte US-Präsident Bush den „stop loss“ Befehl gegeben. Niemand sollte die Army mehr verlassen. Verträge von Soldaten wurden einseitig verlängert. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist seither in Frage gestellt. Jeder Army-Befehlshaber verfährt nach Gutdünken. Einige Commander haben die Anträge zwar entgegengenommen, sie aber nicht weiterbearbeitet, so daß die Betreffenden mit an den Golf ausgeflogen wurden. In der US-Kaserne Ansbach ging die Führung so weit, einen Soldaten, der seinen Antrag abgegeben hatte, in Handschellen nach Saudi-Arabien zu verfrachten. In den Army-Regularien heißt es dagegen, jemand, der seinen Antrag auf „Kriegsdienstverweigerung“ gestellt habe, dürfe bis zu seiner Anerkennung nur so eingesetzt werden, daß er nicht mit seinem Gewissen in Konflikt gerate. „Ich lerne zum ersten Mal, was eine Vorkriegszeit ist“, erklärte der Grüne Martin Thomas.

Die sieben GIs, die den offiziellen Weg der Verweigerung gehen, sind, so Anwalt Reinhard Engel, „nur die, die offen zu sehen sind. Die anderen werden sich still verdrücken und privat die 'Aktion Winterurlaub' organisieren. Die werden versuchen, ein Dritt-Land zu finden oder in die USA auszureisen.“ Doch auf Desertion stehen Haftstrafen von bis zu fünf Jahren. Der Count- Down läuft. Barbara Debus

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