Importzölle in Russland: Autohändler gehen auf die Barrikaden
In Russland protestieren Tausende gegen die Anhebung von Importzöllen für ausländische Gebrauchtwagen. In Wladiwostok hat die Polizei die Kundgebung gewaltsam aufgelöst.
Tausende russischer Autofahrer haben am Wochenende gegen die Anhebung der Importzölle für ausländische Gebrauchtwagen demonstriert. Schwerpunkt der Proteste bildete die fernöstliche Hafenstadt Wladiwostok, wo mehrere hundert Menschen protestierten. Spezialeinheiten der Polizei lösten die nicht genehmigte Demonstration brutal auf. Gleichzeitig hatten sich mehrere Autokolonnen, hupend und mit eingeschalteten Scheinwerfern, in einer Sternfahrt in Richtung Stadtzentrum bewegt. Am Samstag hatten Hunderte in Wladiwostok gegen die neuen Schutzzölle demonstriert. Bereits vor einer Woche hatten über tausend demonstrierende Autofahrer mit einem Autokonvoi mehrere Stunden den Verkehr in der Hafenstadt am Pazifischen Ozean zum Erliegen gebracht und versucht, den Flughafen von Wladiwostok zu blockieren.
Auch auf der Insel Sachalin, in St. Petersburg, Kaliningrad, Irkutsk, Nowosibirsk, Ekaterinburg gab es Proteste gegen die neuen Zölle. Wladimir Putins Entscheidung, Wagen aus dem Ausland mit höheren Gebühren zu belegen, ist der verzweifelte Versuch, der heimischen Automobilindustrie und den in Russland produzierenden ausländischen Unternehmen wieder auf die Beine zu helfen. Immer mehr russische Automobilhersteller sehen sich zu Kurzarbeit und Entlassungen gezwungen. Der Lkw-Produzent Kamas hat seine Produktion für einen Monat eingestellt, die Ford-Werke bei St. Petersburg verlängern ihre Weihnachtspause, ähnlich geht es den Renault-Werken in Moskau und dem Lada-Hersteller AwtoWaz.
Doch die neuen Schutzzölle rufen nicht nur Protest hervor. In der Industriestadt Toljatti an der Wolga, Produktionsstandort der russischen Lada-Werke, gingen 5.000 Arbeiter auf die Straße, um die Einführung der neuen Zölle zu begrüßen. Auch in Uljanowsk, der Produktionsstätte der UAZ-Geländewagen, wo im März 460 Arbeiter entlassen werden sollen, gingen Arbeiter für die Schutzzölle auf die Straße. Wladimir Pechtin, Vizefraktionsvorsitzender von "Einiges Russland" in der Duma, der angesichts der angespannten Lage in die Region Wladiwostok gereist war, sagte, man müsse auch die Interessen der Arbeiter der Automobilindustrie in Russland berücksichtigen. Allein in dem Kamas-Werk seien rund 50.000 Arbeiter samt ihrer Familien von Kurzarbeit betroffen. Dem stünden rund 200 Menschen, die im Gebiet von Wladiwostok vom Import japanischer Wagen lebten, gegenüber, so Pechtin.
"Wir kämpfen, weil es keine Arbeit außer dem Verkauf von Gebrauchtwagen gibt", sagte ein Demonstrant laut AFP. Ein Sprecher der Protestbewegung warnte vor einem Niedergang der Region, sollte der Gebrauchtwarenhandel einbrechen.
Die Regierung ist offensichtlich bemüht, die Wogen zu glätten. So sollen die Transportkosten von russischen Wagen mit der Bahn in den Fernen Osten ab sofort vom Staat bezahlt werden. Dadurch ließe sich der Preis für Wagen aus einheimischer Produktion senken. Und aus der Fraktion Einiges Russland ist zu hören, dass die Einführung der Importzölle möglicherweise auf Sommer verschoben wird.
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