Immobilienwirtschaft in der Pandemie: 956 Millionen für die Aktionäre
Immobilienkonzerne wie Vonovia oder die Deutsche Wohnen florieren trotz Pandemie. Die Mieter:innen finanzieren die Dividenden.
Der Berliner Mieterverein hat kürzlich in einer Analyse vergleichbare Zahlen der Deutschen Wohnen SE (DW) ins Verhältnis zu den Lebenswelten der Mieter:innen gesetzt. So habe die DW im Jahr 2019 über 350 Millionen Euro an Dividenden ausgezahlt. Autor Jens Sethmann rechnet vor, dass dies auf die 163.000 DW-Wohnungen bezogen bedeute, dass jede Wohnung jährlich mehr als 2.100 Euro Dividende erwirtschafte. Die Schlussfolgerung: Jeder DW-Haushalt zahle monatlich 177 Euro „nur ins Portemonnaie der Aktionäre“.
Auf taz-Nachfrage schreibt ein DW-Pressesprecher, die Rechnung des Mietervereins sei „sicher wohlfeil“. Er kritisiert lediglich eine „einseitige Perspektive“: Denn die DW investiere schließlich auch in Instandhaltung und Sanierung (469 Millionen Euro im Jahr 2019) und unterstütze zudem mit rund 1,5 Millionen Euro verschiedene soziale Projekte und Vereine in Berlin. Auch beinhalte das Portfolio der DW „rund 1.800 Wohnungen für Menschen, die sonst kaum Möglichkeiten hätten, eine Wohnung zu finden“.
Doch Instandhaltung und Sanierung gehören zum Geschäftsmodell eines Immobilienunternehmens dazu. Das grundsätzliche Problem liegt nach Rainer Wild von Mieterverein darin, dass das Geschäftsziel Renditemaximierung prinzipiell mit den Interessen der Mieter:innen nach bezahlbaren Mieten in einem Widerspruchsverhältnis stehe.
Börsenkonzerne mit Renditedruck
Dies liege auch an der Geschäftsform vieler Berliner Wohnungskonzerne, so Wild. So die seien fünf größten Konzerne, also die Deutsche Wohnen, Vonovia, ADO, Covivio und Grand City, allesamt börsennotierte Unternehmen. Wild erklärt: „Wenn sich ein Unternehmen über Börsenkapital finanziert, ist es stets den immensen Renditeerwartungen der Anleger:innen ausgesetzt.“
Investmentgesellschaften wie Blackrock, welche beispielsweise rund 10 Prozent der DW-Anteile hält, könnte es prinzipiell nicht darum gehen, wie der Konzern die Rendite vor Ort erwirtschaftet. „Denn an der Börse zählt nur die numerische Höhe der ausgezahlten Dividende“, so Wild.
Wer die nicht liefere, der fliege aus den Investmentportfolios raus – womit das Unternehmen insgesamt gefährdet wird. Unter solchen Bedingungen könnten Konzerne soziale Verantwortung nur dann übernehmen, wenn auch diese zur Renditemaximierung beiträgt – wie etwa die PR-wirksamen Sozialprojekte der Deutschen Wohnen.
Die Rechnung des Mietervereins lässt sich auch auf Vonovia übertragen – mit ganz ähnlichem Ergebnis: Vonovia besitzt 416.000 Wohnungen, die 2020 rund 956 Millionen Euro Jahresrendite erzielten. Damit erwirtschaftet jede Vonovia-Wohnung rund 2.300 Euro Rendite jährlich. Mit anderen Worten: Auch Vonovia-Mieter:innen zahlen monatlich über 191 Euro allein in die Taschen der Aktionäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml