Immobilienspekulation: Schöner und schlimmer Wohnen
Während die Gewoba das Ergebnis von Architekturwettbewerben für Neu- und Umbau-Ideen präsentiert, fällt eine „Heuschrecke“ über 9.500 Bremer Wohnungen her.
Bausenator Joachim Lohse (Die Grünen) ist zufrieden mit dem derzeitigen Fortschritt der Wohnbebauung in Bremen. Die Zahl der Baugenehmigungen überschreite momentan sogar die Anzahl der geplanten 1.300 Wohnungen, die jährlich bis 2020 entstehen sollen, sagte er anlässlich der gestrigen Ausstellungseröffnung „Ungewöhnlich wohnen“. Im Foyer der Baubehörde werden sechs Wochen lang die Ergebnisse von zwei Architekturwettbewerben der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba präsentiert.
Die Juryempfehlung „Tarzan und Jane“, ein „Gebäude-Paar“ der Hamburger ArchitektInnen Ingrid Spengler und Fredo Wiescholek, ist bereits in Planung. Nahe der Kirchhuchtinger Landstraße sollen die beiden flächengleichen Wohnblöcke auf einer Rasenfläche zwischen zwei Gewoba-Wohnanlagen errichtet werden. Der Name soll auf die verbindenden Elemente wie Laubengänge oder das gemeinsam genutzte Erdgeschoss hinweisen.
Mit ihrem Entwurf haben die ArchitektInnen 2011 am Wettbewerb „Ungewöhnlich wohnen“ teilgenommen, in dessen Rahmen die Gewoba nach Vorschlägen für innovative Neubauten gesucht hat.
Der Wettbewerb „Ungewöhnlich weiter wohnen“ aus dem Jahr 2013 widmete sich den Änderungen bereits bestehender Wohneinheiten. „Wir wollen uns hier den geänderten Bedarfen anpassen“, so Peter Stubbe von der Gewoba. Damit meint er den demografischen Wandel, der barrierearme und -freie Wohnungen erfordere oder zusätzliche Konzepte wie betreutes Wohnen, aber auch geänderte Ansprüche an Wohnungsgrößen: „Früher hat eine vierköpfige Familie in einer Drei-Zimmer-Wohnung gelebt – das reicht heute nicht mehr.“ Auch die Nachfrage nach kleinen Wohnungen steige stetig an. „Dabei wollen wir uns vor allem an Bestandsmieter wenden, die teilweise schon seit Jahrzehnten in den Quartieren leben.“ Sie sollen dort bleiben und auf sie zugeschnittene Wohnungen bekommen, damit Nachbarschaften und gewachsene Strukturen erhalten bleiben.
Während die Gewoba demonstriert, dass sie sich um ihren Bestand kümmert, sieht es in den 9.500 Wohnungen der Vitus-Gruppe in Bremen und Bremerhaven düster aus. Sie gehörten bis in die 90er-Jahre den teilstädtischen Wohnungsbauunternehmen Bremische und Beamten-Baugesellschaft, wurden dann privatisiert – und seither vernachlässigt: Sanierungsstau, teure Nebenkosten, Schimmel; eine vom Quartiersmanagement Schweizer Viertel in Auftrag gegebene Studie der Uni Bremen hat ergeben, dass in der Hälfte der Vitus-Wohnungen Mängel herrschen.
Diese Zustände können sich nun weiter verschlimmern, denn die Vitus-Gruppe will ihre Wohnungen verkaufen, und zwar an die „Deutsche Annington“ – ein Unternehmen, das rund 200.000 Wohnungen besitzt und bundesweit bei Mietervereinen als „Heuschrecke“ berüchtigt ist, also als Unternehmen, das Wohnungen kauft, um möglichst viel Geld durch Mieten einzunehmen, aber kaum investiert. In Hamburg und Bonn gibt es Mieterinitiativen gegen die Deutsche Annington, in NRW hat sich ein landesweites „Aktionsbündnis von Mietern und Nachbarn der Deutschen Annington“ formiert. Sie alle klagen über den desolaten Zustand ihrer Wohnungen und den Verfall ihrer Quartiere.
„Schlimm ist das, richtig schlimm“, sagt Brigitte Köhnlein, Sprecherin von Bausenator Lohse, zum geplanten Verkauf der Wohnungen in Osterholz, Lüssum, Sebaldsbrück und Gröpelingen. „Aber hier machen zwei privatwirtschaftliche Unternehmen miteinander Geschäfte – dagegen kann man nicht viel unternehmen.“ Gleichwohl prüfe der Bausenator, „was hier sinnvoll und möglich ist und ist auch bereits im Kontakt mit den Beteiligten.“ Sinnvoll, sagt die Bremer Linksfraktion, die derzeit eine entsprechende Anfrage an den Senat formuliert, sei die Rekommunalisierung der Wohnungen durch die Gewoba. Damit könne man, so Claudia Bernhard, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, auch die Chance nutzen, schnell eine große Menge dringend benötigten Wohnraums „im preisgünstigen Segment“ zu schaffen. Vor allem dort herrsche durch den massiven Abbau von Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren großer Mangel.
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