Immobilienkrise in den USA: Die nächste Pleite
Neuer Höhepunkt der US-Immobilienkrise: Der Zusammenbruch der kalifornischen Hypothekenbank IndyMac ist der zweitgrößte Bankencrash der US-Geschichte.
WASHINGTON taz Mit dem Zusammenbruch der kalifornischen Hypothekenbank IndyMac hat die US-Immobilienkrise einen neuen Höhepunkt erreicht: Der Ansturm panischer Anleger veranlasste die Bankenaufsicht am Freitag dazu, IndyMac unter staatliche Kontrolle zu stellen. Der Zusammenbruch der Bausparbank mit Einlagen von knapp 20 Milliarden Dollar und Bilanzaktiva von 32 Milliarden Dollar ist der zweitgrößte Bankencrash in der Geschichte der USA.
Die Kontrolle über die Bank mit Sitz im kalifornischen Pasadena übernahm die staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC. Durch den Einlagensicherungsfonds werden Guthaben bis zu 100.000 Dollar pro Person abgedeckt. Allerdings haben 10.000 Kunden von IndyMac höhere Guthaben, die sich auf eine Milliarde Dollar summieren. Die FDIC rechnet mit einer Belastung von vier bis acht Milliarden Dollar.
Im vorigen Jahr lag IndyMac mit einem Marktanteil von etwa drei Prozent auf dem neunten Platz der Branche. Nachdem im Spätsommer 2007 viele Kreditverträge für Häuser nicht mehr bedient werden konnten und die Immobilienkrise ihren Lauf nahm, geriet auch IndyMac ins Strudeln. In den vorigen drei Geschäftsquartalen verzeichnete man jeweils dreistellige Millionenverluste. Innerhalb eines Jahres fiel die Börsennotierung von 28 Dollar auf zuletzt 28 Cent.
Die Krise bei IndyMac spitzte sich Ende Juni zu, als der demokratische Senator Charles Schumer vor einem drohenden Kollaps des Instituts warnte und die Aufsichtsbehörden zum Einschreiten aufforderte. Darauf stürmten besorgte Kunden die Bank und hoben innerhalb von elf Tagen mehr als 1,3 Milliarden Dollar ab. Der Direktor der Aufsichtsbehörde, John Reich kritisierte nun, Schumers Brief habe für die Bank wie ein "Herzinfarkt" gewirkt. Die Bankenaufsicht hätte die "zweifelhaften Kreditvergabepraktiken" der Bank nicht so lange hinnehmen dürfen, verteidigte sich der Senator.
Am Wochenende konnten Kunden von IndyMac Geld nur am Automaten, per Debitkarte oder Scheck abheben. Am Montag will die FDIC das Institut als IndyMac Federal Bank wieder eröffnen. Dann sollen auch Dienstleistungen wie Online- und Telefonbanking wieder erhältlich sein. Laut FDIC-Sprecher David Barr ist geplant, die Bank nach spätestens drei Monaten wieder zu privatisieren.
Das aber dürfte angesichts der anhaltenden Krise nicht einfach werden, zumal auch andere Geldhäuser in argen Schwierigkeiten stecken. Allen voran die beiden größten Hypothekenfinanzierer des Landes, Fannie Mae und Freddie Mac. Ofenbar erwägt die US-Regierung, eines oder gar beide Institute unter staatlichen Schutz zu stellen. Die Aktien der Gesellschaften erlitten zum Wochenende heftige Verluste. Im Zuge der Finanzkrise haben inzwischen 100 US-Hypothekenfirmen ihr Geschäft eingestellt oder sind Pleite gegangen.
Unterdessen droht US-Präsident George W. Bush mit einem Veto gegen eine vom Senat beschlossene Gesetzesvorlage, mit der man schätzungsweise 400.000 überschuldeten Hausbesitzern helfen will. Die 300 Milliarden Dollar, die das Unterfangen kosten soll, seien zu teuer, außerdem wolle die Regierung nicht verantwortungslosen Kreditgebern und "Spekulanten" helfen, berichtet die New York Times.
Nervös werden nun die Reaktionen der Börsen am Montag erwartet. Am Dienstag spricht US-Notenbankpräsident Ben Bernanke vor dem Senat. In den Medien überschlagen sich die Erwartungen an weitere Zinssenkungen der Notenbank und Maßnahmen der Regierung gegen die Inflationsgefahr und das schwächelnde Wachstum. Zugleich sind die Gesundbeter unterwegs. David G. Kittle, Vorsitzender der Mortgage Bankers Association, sagte, die Sorgen über Fannie und Freddie seien nichts weiter als "mediengefütterte Panikmache".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden