Immobilienhandel: Charité verscherbelt Robert Koch
Der Liegenschaftsfonds will das Hygiene-Institut der Charité in Mitte verkaufen. Dort befinden sich der historische Robert-Koch-Hörsaal und ein Museum. Deren Erhalt ist gefährdet, sagen Mitarbeiter
Es ist der Hörsaal, in dem Medizin-, aber auch Sozialgeschichte geschrieben wurde: Am 24. März 1882 trat Robert Koch vor seine Zuhörer. Er sprach über die Entstehung der Tuberkulose, es war ein bahnbrechender Vortrag. Für seine Forschung zu dem Thema wurde Koch 1905 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Dieser Raum, in dem der Wissenschaftler damals sprach und lehrte, ist heute nach ihm benannt. Der Robert-Koch-Hörsaal im Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité mit seinen ansteigenden Sitzreihen, den Rundbögen auf der Empore und dem Oberlicht ist ein historischer Ort der Wissenschaft.
Die Zukunft des Robert-Koch-Hörsaals ist ungewiss - wenn nicht gar gefährdet, wie manche befürchten. Der Liegenschaftsfonds will das Backsteinensemble aus der Gründerzeit, in dem sich der Hörsaal und weitere akademische Einrichtungen befinden, verkaufen. Auf der Immobilienmesse "Expo Real" in München Anfang Oktober soll das "Objekt in exponierter Lage" an der Dorotheenstraße präsentiert werden. Das 4.637 Quadratmeter große Anwesen, das als sogenannter Außenstandort von der Charité aufgegeben wird, gehe "dann an den Markt", sagte Irina Dähne, Sprecherin des Liegenschaftsfonds, der taz.
Es handle sich um eine Immobilie "in Traumlage" in der Berliner Mitte direkt an der Spree. Auf der Messe werde "mit dem Bieterverfahren begonnen", so die Sprecherin weiter. Danach werde sich entscheiden, mit welchen Interessenten Gespräche geführt werden könnten, sagte Dähne. Bestürzt haben dagegen Angehörige des Instituts auf die geplante Veräußerung reagiert. Zum einen "lieben wir dieses Haus", wie es eine Mitarbeiterin ausdrückte. Das historische Hygiene-Institut, dessen erster Direktor Robert Koch war, sei ein "traditionsreicher Ort der Berliner Medizin". Diese Bedeutung und "Aura" dürften nicht durch den Verkauf gefährdet werden. Zum anderen sei das kleine Robert-Koch-Museum im Institut, dessen Bestände aus dem Archiv der Humboldt-Universität stammen, unter Fachbesuchern ein Geheimtipp, sagt eine Mitarbeiterin.
Kochs Briefe und Schriften, Laboreinrichtungen, Fotos und die Nobelpreis-Urkunde seien gefragte Objekte. Die Zukunft des Museums und des Saals seien nun offen. Das Haus dürfe nicht allein nach Marktkriterien bewertet und dem Höchstbietenden geben werden. Man müsse es als Wissenschaftsstandort erhalten, so die Mitarbeiterin weiter.
Sowohl Dähne als auch Kerstin Endele, Pressechefin der Charité, verstehen die Aufregung nicht. Der Institutsstandort werde von der Unimedizin aufgegeben, auch der Hörsaal und das Museum zählten dazu, so Endele. Keineswegs sei aber beabsichtigt, "dass dort etwa ein Klub" einzieht. Die Charité wolle sich mit bemühen, einen Nutzer zu finden, der das denkmalgeschützte Ensemble auch "angemessen würdigt".
Dähne räumte zwar ein, dass der Preis beim Verkauf eine Rolle spiele, stellte aber fest, dass für das Objekt "Nutzungseinschränkungen festgelegt wurden". So seien als Käufer etwa Kliniken, Stiftungen oder Forschungseinrichtungen relevant, "aber kein Lidl-Markt".
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