Immobilienblase: Zombie-Bauten bedrohen China
Noch wächst das Bruttoinlandsprodukt rasant. Doch Peking warnt vor einem "höchst komplizierten" Jahr. Grund ist eine wachsende Immobilienblase.
PEKING taz | Verwirrende Signale kommen aus China. Noch vor wenigen Tagen warnte ein besorgter Regierungschef Wen Jiabao auf dem Nationalen Volkskongress vor einem "höchst komplizierten" Jahr und sah große Risiken für die Stabilität des Landes. Kurz darauf veröffentlichte die Weltbank ihre jüngsten Zahlen, und die erweckten einen eher freundlichen Eindruck: In diesem Jahr werde die chinesische Wirtschaft um 9,5 Prozent wachsen.
Gleichzeitig wächst Chinas Devisenschatz weiter. Inzwischen sitzen Pekings Banker auf Valuta-Reserven von mehr als umgerechnet 1.740 Milliarden Euro, die sich bis Ende des Jahres voraussichtlich auf rund 2.082 Milliarden Euro erhöhen werden. Mindestens ein Drittel dieses Geldes ist in US-amerikanischen Schatzbriefen angelegt.
Dennoch: Premierminister Wen dürfte guten Grund für seine Furcht vor einem tückischen Jahr haben. In Washington werden die Stimmen lauter, die der chinesischen Regierung "Währungsmanipulation" vorwerfen. Peking halte den Wert des Yuan (auch Renminbi genannt) künstlich niedrig, damit chinesische Waren weiterhin unschlagbar billig in die Welt verkauft werden können, heißt es.
Der prominente US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman goss kürzlich mit einem in der New York Times veröffentlichten Appell an die amerikanische Regierung Öl ins Feuer: Er forderte, China mit wirtschaftlichen Sanktionen zu bestrafen. Denn obwohl der Staat dem freien Markt das Wort rede, greife er immer kräftiger ins Wirtschaftsgefüge ein.
"Unsinn", erwidern Pekings Politiker. Die Amerikaner sollten sich an die eigene Nase fassen, ihr Finanzwesen in Ordnung bringen und weniger Schulden aufhäufen, erklären sie. China sei nicht schuld an der Misere der US-Ökonomie.
Doch die größten Gefahren für die chinesische Wirtschaft lauern im Inland: Ökonomen und Politiker warnen vor einem riesigen Schuldenberg, der eine schwere Finanzkrise auslösen könnte - mit unvorhersehbaren Folgen für die Stabilität des Landes. Denn um die heimische Wirtschaft vor der globalen Krise zu retten, hatte Peking im Herbst 2008 ein gewaltiges Konjunkturprogramm im Wert von über 460 Milliarden Euro verkündet und die Banken angewiesen, freigiebig Kredite zu vergeben. Private Unternehmen bekamen von dem Geldsegen nur wenig ab. Über vier Fünftel - von insgesamt etwa 1.330 Milliarden ausgegebenen Euro - landeten bei chinesischen Staatsbetrieben.
Neue Immobilienblase
Ein großer Teil der Gelder ist, so sagen Experten, direkt in Chinas überhitzten Immobilienmarkt geflossen. Im ganzen Land entstehen derzeit neue Stadtteile, Bürokomplexe und Industrieparks - sogenannte Zombie-Bauten. Sie stehen leer, was die Besitzer nicht stört, weil sie die Häuser bald mit großem Preisaufschlag weiterverkaufen. Innerhalb eines Jahres stiegen die Quadratmeterpreise mancherorts um 70 Prozent.
Was die Immobilienblase noch weiter aufbläht, ist das aus Maos Zeiten stammende Bodenrecht in China: Nicht die Bevölkerung, sondern die örtlichen Behörden besitzen die Landtitel. In Dörfern, Kreisen und Städten füllen die Funktionäre die kommunalen Kassen - und manchmal auch die eigenen Taschen - durch Bodenverkäufe für Bauprojekte. Das hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu Unruhen geführt, weil Millionen Chinesen, häufig gegen nur geringe Entschädigungen, aus ihren Wohnungen und von ihren Feldern vertrieben wurden.
Kommunen kassieren
Der Regierungsberater, Liang Jiyang, erklärte vor zwei Wochen am Rande des Nationalen Volkskongresses: "Die örtlichen Regierungen sind die größten Profiteure der Immobiliengeschäfte." 2009 überstiegen ihre Einnahmen aus Landverkäufen die Summe von 162 Milliarden Euro. Die Regierung hat jetzt angekündigt, sie werde 78 Staatsbetriebe zwingen, sich aus dem Immobiliensektor zurückzuziehen. Doch die 16 größten staatlichen Bauherren sind bislang davon ausgenommen. Dabei stecken sie nach Expertenmeinung hinter 85 Prozent aller Bauvorhaben in China.
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