: Immigranten weiter am Katzentisch
■ Anhörung über muttersprachliche Rundfunksendungen im Abgeordnetenhaus/ CDU-Mann will die »deutsche Sprachfarbe« im Äther retten/ Mittelwelle reicht nicht
Schöneberg. Wenn es nach dem SFB-Intendanten von Lojewski und dem CDU-Medienpolitiker Dieter Biewald ginge, dann müßten die BürgerInnen mit ausländischem Paß medienmäßig weiter am Katzentisch sitzen. Beide äußerten sich gestern auf einer Anhörung des Medienausschusses des Abgeordnetenhauses, der sich mit muttersprachlichen »Minderheitenprogrammen« in Hörfunk und Fernsehen befaßte. Während die Vertreter von ImmigrantInnen-Gruppen, muttersprachliche Journalisten und die Ausländerbeauftragte Barbara John eine Ausweitung muttersprachlicher Programme forderten, stellte das Medienausschuß-Mitglied Biewald sich quer. Er warnte davor, in den öffentlich- rechtlichen Programmen »die Sprachfarbe der Deutschen zu schmälern«. Biewald, der auch im SFB-Rundfunkrat sitzt, räumte zwar ein, daß die »ausländischen Mitbürger willkommen« seien, weil »alles andere Inzucht ist — sowohl biologisch als auch kulturell«. Doch sei die »überspannte Nörgelei« der ImmigrantInnen unverständlich. Diese sollten sich nicht darüber beschweren, daß der SFB die muttersprachlichen Sendungen Anfang des Jahres von SFB 1 (UKW) auf die schlechter empfangbare Mittelwelle verbannt habe, sondern sich an den Privatfunk wenden.
Auch SFB-Intendant von Lojewski verteidigte das Umsetzen der Sendungen auf die Mittelwelle: »Die Gesellschaft ist nicht so auf Integration eingestellt, daß sie verschiedensprachige Programme auf einem Kanal akzeptiert.« Außerdem müsse der SFB nicht nur die Interessen der ImmigrantInnen in seine Programme »integrieren«, sondern auch die der »Kirche und der Wirtschaft«. Für ein »Wortprogramm« sei die Mittelwelle »zumutbar«, sagte der Intendant und fing sich dafür den Widerspruch seiner — ebenfalls anwesenden — muttersprachlichen SFB-RedakteurInnen ein. Schließlich verwies von Lojewski darauf, daß beabsichtigt sei, die muttersprachlichen Programme auf die UKW-Frequenz 98,2 zu verlegen, wenn es ein gemeinsames Berlin-Brandenburger Jugendprogramm gebe.
Das Thema auf die Tagesordnung gerückt hatte die Fraktion Bündnis 90/ Grüne, weil der geplante Medienstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg in Sachen Minderheitenprogramme nur eine schwammige »Kann-Bestimmung« enthält, die einen Ausbau muttersprachlicher Programme kaum gewährleisten würde. In Berlin sind öffentlich- rechtlich und privat im Hörfunk insgesamt nur neun Stunden muttersprachliche Programme zu hören — was einem Anteil von etwa 0,6 Prozent entspricht. Der Bevölkerungsanteil der ImmigrantInnen liegt hingegen bei zehn Prozent.
Redakteure des muttersprachlichen Programms auf dem privaten Hörfunk-Sender »Energy« plädierten für eine »Mischlösung« mit einem UKW und einem Fensehkanal. Der neue Medienstaatsvertrag solle die Voraussetzungen für ein von einem »Trägerverein« veranstaltetes Programm schaffen, das sich aus Geldern der gemeinsamen Medienanstalt und an diese rückzuführenden Werbegelder finanziere. Die Ausländerbeauftragte Barbara John bezeichnete mehr muttersprachliche Programme in Berlin als »nationale Aufgabe«, für die die ARD einen entsprechenden Anteil aus den Rundfunkgebühren bereitstellen müsse. Zu einer Aussprache über die Anhörung kam es nicht mehr. Hans-Hermann Kotte
Siehe Kommentar auf Seite 21
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