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Immer wieder Ersatzkaffee

■ Jacobs feiert 99. Geburtstag/ Nicht immer trank man den „wunderbaren“ Jacobs,

Kaffeemehlgeräucherte Entenbrust gab es gestern als Vorspeise bei der Promotion-Party von Jacobs, Verzeihung Kraft Jacobs Suchard. Der mit Süßwaren und Frischkäse fusionierte Bremer Kaffeekonzern feiert im kommenden Jahr den 100. Geburtstag. Grund zur Freude haben die Kaffeeröster zum Jubiläumsjahr: Bei sinkenden Kaffeepreisen steigerten sie den Absatz um 7 Prozent auf 2,19 Milliarden. Besonders erfolgreich sind sie bei den ostdeutschen KaffeetrinkerInnen: Dort hat der Kaffeekonzern mittlerweile einen Marktanteil von 52 Prozent erreicht.

Schon im 99. Jahr bereitet die Kaffeefirma den runden Geburtstag werbestrategisch vor, zum Beispiel mit einem dokumentarischen Werbefilm über die Firmengeschichte. Der Firmengründer Johann Jacobs eröffnete im Januar 1895 am Domshof sein „Specialgeschäft in Caffee, Thee, Cacao“. Ein gut bezahlter Facharbeiter mußte damals für ein Pfund Kaffee, das 2 Mark kostete, 4 Stunden arbeiten. Heute brauchen FacharbeiterInnen dafür nur noch 30 Minuten. Über die Arbeitslöhne in den Kaffeeanbaugebieten damals und heute erfuhr das Publikum allerdings nichts, auch nicht wo sich diese befinden. Aber es hörte, daß der Kaffee bis zum Jahre 1907 größtenteils zu Hause auf dem eigenen Herd geröstet wurde – dann errichtete Jacobs den ersten eigenen Röstbetrieb.

Vor der Abfahrt zur Front gab es im Jahre 1914 selbstverständlich noch eine Tasse Kaffee. Die Jahre danach allerdings trank man eher Gerstenkaffee. Als es in den Nachkriegsjahren endlich wieder Kaffee gab, trieb die Inflation den Preis für ein Pfund Kaffee auf 3 Milliarden Mark hoch.

Auch die Zeit des Dritten Reichs kommt im Werbefilm vor, wenn auch recht kurz. 1930 wurden Schwarz und Gelb die Werbefarben der Firma. Trotz Dikatur sei auch diese Zeit eine Zeit „kleiner, alltäglicher Freuden“ gewesen, verkündet das Werbefilmchen - mittlerweile tranken die Deutschen 81 Liter pro Jahr. Jacobs avancierte zum viertgrößten Röster. Und wieder folgten Jahre des Ersatzkaffees. Es dauerte bis 1956, bis die Kaffeetrinkerinnen wieder auf ihre 81 Liter kamen.

In den 50er Jahren verdoppelten sich alle zwei Jahre die Umsatzzahlen. Printmedien in einer Auflage von 23 Millionen propagierten in den „Wirtschaftswunder“-Jahren den Slogan mit dem entscheidenden Wort „wunderbar“. Auf die Zielgruppe der Hausfrauen wurde Anfang der 70er die blonde Musterhausfrau Karin Sommer angesetzt, die ihren Geschlechtsgenossinnen einschärfte: „Mühe allein genügt nicht!“ Auch in der aktuellen Werbung setzt der Konzern auf das Klischee der glücklichen Kleinfamilie.

Mittlerweile liegt der Kaffeeverbrauch pro Kopf bei 180 Liter im Jahr. Da die „natürlichen Wachstumsgrenzen“ somit erreicht scheinen, möchte Jacobs den KundInnen immerhin die „Möglichkeit zu einer zusätzlichen Identifikation“ bieten. „Das Jubiläum zum Mitmachen“, verspricht denn auch Marketing Managerin Claudia Diebitsch. Dabei sollen VerbraucherInnen aufgespürt werden, die mit der klassischen Werbung nur schwer erreichbar seien. „Jetzt führen Sie Regie“ heißt der Titel eines Filmwettbewerbs, bei dem Profi- und Hobby-FilmerInnen aufgefordert sind, ihr „schönstes Erlebnis mit Jacobs Cafe'“ abzudrehen. Das Ergebnis wird als „Jacobs Rolle“ in den Programmkinos gezeigt. 99 mannshohe Osterhasen werden zur entsprechenden Saison durch die Bremer Fußgängerzonen hoppeln.

S.L.

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