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Immer stramm auf‘s Sofa springen

Subtil ironische, so gar nicht moralisierende Herr-Hund-Geschichte, die mit bravem Gehorsam wenig zu tun hat, mit einer gelungenen Mensch-Tier-Gemeinschaft aber sehr viel. Und die ganz nebenbei süffisant anarchisch ist

Er wollte ihn ja gar nicht haben. Er wollte noch nie einen Hund – wieso soll er also jetzt plötzlich ein solches Vieh bei sich wohnen lassen, nur weil es an seiner Tür klingelt und heftigst Einlass begehrt? „Es wäre eine sehr gute Idee, wenn du mich hier wohnen ließest“, sagt der kleine Hund in Thomas Windings Kinderbuch Mein kleiner Hund Mister zum Protagonisten Thomas, der tatsächlich nur für ein paar Stunden stur bleibt.

Denn es hat Überzeugungskraft, das Tier, „du wirst noch so froh sein, dass ich hier bin“, sagt der Hund, den Thomas großzügigerweise „Mister“ nennen darf. Aufpassen will er auf Thomas, Tag und Nacht, will auf dem Sofa und im Bett liegen, will am Tisch sitzen, dasselbe wie sein Herrchen essen und sich überhaupt überall einmischen. Und er hat – erziehungsresistent – seine eigene Methode, sich zum Beispiel von der Leine zu befreien: Er zerrt eben so lange, bis er sich fast stranguliert, sodass mitleidige Passanten den Hundehalter barsch auffordern, das Tier freizulassen. „Wenn wir Leute treffen, halten die mich natürlich für einen Tierquäler“, berichtet Thomas – nur ein Beispiel für Windings wunderbar lakonischen Stil.

Intelligent ist der Hund zu allem Überfluss natürlich auch: „Manchen Leuten geht es gut. Und andere – ich will keine Namen nennen – müssen in ihrem Hundekorb liegen und anderen beim Essen zusehen“, sagt das Tier süffisant. Und als Thomas‘ Freund zu Besuch kommt, bringt Mister es doch glatt fertig, anstelle klar artikulierter Sätze nur noch hundebabygleiches Fiep-Fiep von sich zu geben, um schließlich, vom Gast gehätschelt, natürlich doch am Tisch sitzen zu können. „So setzt Mister wieder mal seinen Willen durch und dreht mir eine Nase“, sagt resigniert der Hundehalter.

Es sind diese kleinen, subtilen Inkonsequenzen, die das Buch zu einer auch für Erwachsene vergnüglichen Lektüre machen und die die Geschichte nie ins Moralisieren abgleiten lassen.

Und dann gibt‘s da noch die Tiergeschichten, die Thomas seinem – verbotswidrig auf dem Sofa liegenden – Hund vorliest: „Ich habe mir schon gedacht, dass diese Bücher nicht von Tieren geschrieben sein können“, sagt Mister angesichts der Tatsache, dass kaum Geschichten existieren, in denen Tiere nett zueinander sind. Doch manchmal geht es auch gut aus für die Tiere – wenn etwa der exotische, im Käfig leidende Vogel irgendwann doch von seinem Herrchen freigelassen wird. Oder wenn der Hund mal wieder durchgesetzt hat, dass die beiden Frikadellen im Kühlschrank auf der Stelle verzehrt werden.

Doch – das ist schon gar nicht mehr Inhalt des Buchs. Mister hat ja nur einen bescheidenen Wunsch geäußert. Was danach passiert, muss sich der Leser selbst ausdenken. PS

Thomas Winding: Mein kleiner Hund Mister. Hamburg: Carlsen-Verlag 2002; 77 S., 6,90 Euro

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