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Immer noch nicht das große Chaos

■ Am zehnten Streiktag haben 57.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst ihre Arbeit niedergelegt

Berlin. Nach Gewerkschaftsangaben streiken derzeit jeden Tag in West-Berlin rund 57.000 organisierte Arbeiter und Angestellte. Das sind knapp sechs Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung. Trotzdem brach auch gestern weder das große Chaos aus, noch eroberten Ratten die Stadt — obwohl die Müllmänner den Streik verschärften.

Seit Mittwoch früh sind die Müllverbrennungsanlage in Ruhleben und das Abfallbeseitigungswerk Süd in Britz dicht. Geschlossen ist jetzt auch die Müllumladestation in Neukölln. Die ÖTV sagte, dies wäre eine Reaktion auf die Reinigung des Kurfürstendamms durch die Privatfirma Alba am Dienstag.

Streikpremiere im unbefristeten Arbeitskampf auch für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens: In vier Krankenhäusern, darunter dem Klinikum Steglitz, legten mehr als 3.000 Ärzte, PflegerInnen und medizinisches Personal die Arbeit nieder. Ein Notdienst sichert aber die Versorgung. Nicht bestreikt werden die Aufnahme- und Rettungsstationen, die Intensivabteilungen und die Aids-Tagesklinik. Auch die Entbindungsstation arbeitet ungebremst weiter für die Zukunft.

Unbequemlichkeiten hingegen müssen die Eltern von Kleinkindern hinnehmen. In sieben von insgesamt zwölf Westberliner Bezirken schlossen 187 Kindertagesstätten ihre Pforten. An einer Neuköllner Sonderschule kam es zu Unterrichtsausfällen.

Vergeblich vor den Türen standen auch die Berliner, die sich bei den polizeilichen Meldestellen in Charlottenburg oder Neukölln ab- oder anmelden wollten. Auch die Polizei streikte ordnungsgemäß.

Ein Hauch von Peking war auch gestern wieder zu spüren. Fahrradfahrer überall. Dazu der übliche Autostau, vor allem im Ostteil. Die rund 100.000 Pendler wollen und können offensichtlich nicht ihre Blechkisten zu Hause stehen lassen. Dabei verkehrten gestern auch wieder viele Taxis zum Mini-Fahrpreis von vier Mark auf den bestreikten Buslinien. Der Flugverkehr wurde weiter über Schönefeld abgewickelt. Das dortige Abfertigungspersonal wird, wenn ab heute Tegel wieder offen ist, Sonderurlaub brauchen.

Neben Mitarbeitern der Gasag, der Wasserbetriebe, der Schleusen, der Arbeiterwohlfahrt streikten gestern auch viele Postler. 17 von 20 Zustellämtern sowie das zentrale Briefverteilungsamt und einige Postgiroämter haben zu. Nach Angaben der Postgewerkschaft sind bisher sechs Millionen Briefe und Pakete liegen geblieben. Warnstreiks für 9,5 Prozent Lohnerhöhung auch bei den Metallern. Der Auftakt fand gestern bei Siemens statt. Fortsetzung folgt. aku

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