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Immer im gleichen Takt an der Bizeps-Maschine

■ In Frankreichs Fitneßzentren werden Körper gestählt und Partner gefunden

Bevor ihr persönlicher Berater ihren „Form-Koeffizienten“ ermittelte, hatte Marie* zehn Jahre lang nicht den geringsten Sport gemacht. Sie rauchte wie ein Schlot, arbeitete im Sitzen und zechte viele Nächte durch. Dann zog sie nach Paris, wo die weiblichen Erscheinungen auf Straßen und Plakatwänden ihr derart zusetzten, daß sie irgendwann in einem dieser gelb-blau dekorierten Zentren landete, die nach Saunaaufguß, Schweiß und Parfum duften. „Ich wollte meinen Körper wieder auf Vordermann bringen“, sagt sie, als rede sie von einem älteren Automodell, das noch einmal durch den TÜV sollte.

Nach einem kurzen Gespräch zahlte Marie den Jahresbeitrag und wurde Mitglied. Neu war das Ganze für sie nicht, denn aus dem Softwarebüro, in dem sie arbeitet, gehen zwei Kollegen regelmäßig an die Maschinen. Als sie Mitglied wurde, wußte sie bereits, daß der „Gymnase-Club“ für viele die Doppelfunktion von Muskeltraining und Kontaktanbahnung erfüllte.

Wer Anschluß sucht, muß darauf achten, besonders glänzende Cremes auf den Muskeln zu haben, knallige Body-Stockings zu tragen und – wegen des Wiedererkennungswertes – stets zur gleichen Zeit an der Maschine zu sitzen. Irgendwann findet sich dann garantiert ein sportlicher Mitstreiter mit einer Büchse Kraftgetränk in der Hand ein, der interessiert zuguckt. Und für das Danach gibt es in den Clubs Bars mit gesunden Säften und Restaurants mit Diätberatern. Nicht wenige französische Paare der letzten Jahre haben sich auf diese Weise kennengelernt.

Stets ganz auf den Körper konzentriert

Marie hielt sich fern von diesem Rummel. Sie kam an unterschiedlichen Tagen, immer abends nach Dienstschluß, trug konsequent ein uraltes, verblichenes T-Shirt und sprang nach dem Training nur kurz unter die Dusche, bevor sie schnurstracks nach Hause ging. Marie störte sich nicht im geringsten daran, daß neben ihr noch 15 andere an der Rudermaschine saßen und gleichförmige Bewegungen machten. Sie nahm kaum wahr, daß sie ihre Bizeps-Maschine im gleichen Takt bewegte wie die Frau, die sich gegenüber abrackerte. Und beim Radfahren vermißte sie auch nicht den frischen Wind und die Bilder von vorbeiziehenden Häusern und Wäldern. Marie war ganz auf ihren Körper konzentriert.

Bevor sie bei dem Club landete, der mit seinen über 100.000 Mitgliedern in ganz Frankreich größer ist als die meisten Parteien des Landes, hatte sie die bezirklichen Sportangebote studiert. Die waren allesamt billiger, oft sogar gratis. Aber die Teilnehmer mußten alle zum selben Zeitpunkt, am selben Ort erscheinen und, unter Anleitung, die selben Bewegungen machen.

Solche Disziplinierungen sind nichts für Marie. Sie schätzte die Möglichkeit, in ihrem Club zu jeder beliebigen Tageszeit auftauchen zu können. So oft sie wollte und so lange sie wollte, ohne irgend jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. „Das war Freiheit“, erinnert sie sich an die schöne Zeit an den Maschinen.

Ein Jahr lang hat sie tatsächlich trainiert. Sie fühlte sich fitter beim Treppensteigen und genoß manchmal den Muskelkater am Morgen danach. Dann war ihre Karte abgelaufen, sie hatte alle Maschinen durchprobiert, war in der Sauna gewesen und im Hammam. Und sie hatte keine Lust mehr.

Viele Monate sind seither vergangen. Marie lebt wie in den zehn Jahren zuvor. Sie ißt, trinkt und raucht genüßlich. Sitzt von morgens bis abends in Büro, Metro und Restaurant und macht nicht die geringste überflüssige Bewegung. Je mehr Zeit vergeht, desto häufiger spricht sie davon, den Club mal wieder aufzusuchen. Dorothea Hahn, Paris

* Name von der Red. geändert

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