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Archiv-Artikel

Immer im Dienst

ROLLEN TV-Ermittlerin Odenthal feiert am Mittwoch ihr Dienstjubiläum. Ist der „Tatort“ eine Falle?

Ewig bei der Fernsehkripo

Der Termin: Seit Oktober 1989 ist Kommissarin Lena Odenthal für den Ludwigshafener „Tatort“ im Einsatz. Ihr zwanzigjähriges Dienstjubiläum feiert der SWR am Mittwoch, 30. September mit Party und Vorführung der neuen Folge „Vermisst“. Dieser „Tatort“ wird am 11. Oktober in der ARD ausgestrahlt, wie gewohnt um 20.15 Uhr.

Ewige Kommissare: 24 Jahre lang „Derrick“, da blieb Horst Tappert kaum Zeit für andere TV-Rollen. Bei „Fahnder“ Klaus Wennemann fehlten attraktive Angebote, er wich aufs Theater aus. So ging es auch Hansjörg Felmy nach seiner „Tatort“-Karriere. Götz George kämpfte sich mühsam aus der Schimanski-Rolle heraus.

VON MEIKE LAAFF

Sie trägt Lederjacke, trinkt Bier aus der Flasche, frotzelt mit dem Kollegen Kopper. Befragt misstrauisch, rennt durch Hinterhöfe, stellt Mörder, rettet Kinder. So geht das schon seit Jahrzehnten mit Lena Odenthal und dem „Tatort“ aus Ludwigshafen. Am kommenden Mittwoch feiert der Südwestrundfunk ihr zwanzigjähriges Dienstjubiläum – denn genauso lang ist auch ihre Darstellerin Lena, nein: Ulrike Folkerts im Einsatz.

Nach so langer Zeit haben sich Figur und Darsteller in der öffentlichen Wahrnehmung eng miteinander verwoben, hat sich die Identität der Filmfigur über die ihrer Darstellerin gestülpt. Schon wenige Jahre nach ihrem Aufstieg als TV-Kommissarin klagte sie, zu sehr auf den „Tatort“ festgelegt zu sein, zu wenige andere Angebote zu bekommen. Aber je erfolgreicher Lena Odenthal wurde, umso festgelegter wurde Ulrike Folkerts. Quasi verbeamtet. Ist der „Tatort“ eine Falle für seine Darsteller?

Etwas anderes machen wollen – das war für Michael Fitz der Grund, beim „Tatort“ auszusteigen. Sechzehn Jahre lang schuftete er als Carlo Menzinger im Münchner „Tatort“ für die Kommissare Leitmayr und Batic. Vor vier Jahren stieg er aus – weil er nicht der „ewige Assistent“ werden wollte, als den ihn die Kritiker beschrieben, sagt er. „Viele Regisseure in Deutschland wollen in ihren Filmen kein Gesicht haben, das die Leute als Fernsehpolizist schon kennen. Die bevorzugen ein frisches Gesicht.“ Dabei habe er es als Nebendarsteller noch leicht gehabt, vom „Tatort“ loszukommen, sagt Fitz – für die Hauptdarsteller sei das schwerer.

„Das kann jedem passieren, der in eine solche Serie geht“, sagt Georg Feil, heute Professor an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen, früher Produzent von „Tatort“ in Münster und Köln. „Auch Ulrike Folkerts hat das durchaus zu spüren bekommen.“ Dass Seriendarsteller auch andere Rollen spielen, hält Feil für wichtig: „Damit der künstlerische Tod nicht eintritt.“

„Andere Rollen – damit der künstlerische Tod nicht eintritt“

EX-„TATORT“-PRODUZENT FEIL

Tragisches Beispiel, wie man vom „Tatort“ nicht mehr wegkommt, ist für Feil Hansjörg Felmy. Nach sechs Jahren als Essener Kommissar Haferkamp in den Siebzigern blieben große TV-Angebote aus, Felmy zog sich weitgehend auf die Theaterbühne zurück. „Je länger man als Kommissar präsent war, desto schwerer ist es, sich davon zu befreien“, meint Georg Feil.

Im Sommer gaben die Schauspieler des Frankfurter Ermittlerteams, Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf, nach sieben Jahren ihren Rückzug vom „Tatort“ bekannt. Höchste Zeit, den Absprung zu schaffen? Das sei zu plakativ, meint der Götz-George-Biograf und Grimme-Preis-Juror Torsten Körner. Er mag nicht von einer „Tatort“-Falle sprechen: „Man muss jede Karriere getrennt betrachten.“

Besonders gefährdet sind junge Schauspieler, die kurz nach der Schauspielschule als Serienkommissare verpflichtet werden. So war das auch bei Folkerts. Dagegen haben Kollegen wie Axel Prahl, Jan-Josef Liefers oder Eva Mattes schon vorher gezeigt, wie breit ihr Spektrum ist.

Am ehesten vergleichen lässt sich Folkerts’ „Tatort“-Werdegang vielleicht mit dem von Götz George. Wie Folkerts schuf er in den Achtzigern mit dem dreckigen Bullen Schimanski einen neuen Typus des „Tatort“-Kommissars. „Die Rolle war für George damals ein Risiko, weil die Reihe in der Krise war“, sagt Körner. „Heute ist der ‚Tatort‘ ein Adelsschlag.“ Und wie Folkerts mit ihrer Odenthal verschmolz auch George in der öffentlichen Wahrnehmung eng mit seinem Schimanski. „Götz hat hart arbeiten müssen, viele andere Rollen spielen müssen, um ins Bewusstsein zu rücken, dass er nicht nur der ‚Schimmi‘ zum Knuddeln ist“, sagt Georg Feil, der zu dieser Zeit beim „Tatort“ arbeitete. Durch Rollen wie in „Schtonk“ oder „Der Totmacher“ schaffte er den Absprung vom Krimifach.

Michael Fitz hatte den Carlo Menzinger vom Münchner „Tatort“ gründlich satt

Auch Folkerts will sich von ihrem Image als Kommissarin emanzipieren. Neben zwei, drei „Tatort“-Folgen im Jahr übernahm sie immer wieder kleine Parts in anderen Produktionen. SWR-„Tatort“-Redakteurin Melanie Wolber gibt aber zu: „Es hat dann einige Zeit gedauert, bis wir auch andere interessante Charakterrollen für sie entwickeln konnten.“ Bis sie in SWR-Produktionen der letzten Jahre eine verletzliche Lehrerin und die sinnliche Nachbarin eines traumatisierten Afghanistan-Rückkehrers spielte. Exproduzent Feil meint, Folkerts habe es wegen ihrer schauspielerischen Qualitäten geschafft – und weil sie den Mut hatte, nach außen zu gehen mit ihrer Festlegung auf den „Tatort“, darüber zu sprechen.

Zuletzt stand sie als werdende Mutter für einen Sat.1-Film vor der Kamera. „Die Kommissarin Lena Odenthal ist mit der Zeit weicher und souveräner geworden. Vielleicht liegt es daran, dass Ulrike Folkerts jetzt auch Mutterrollen angeboten werden“, sagt Melanie Wolber.

Der Sender kümmert sich, Folkerts ackert, sogar Odenthal wird weicher – alle arbeiten daran, dass die Schauspielerin mehr ist als nur Kommissarin. Es ist schwer, sogar beim „Tatort“-Aussteiger Fitz. Der spielt heute vornehmlich Familienväter und Mentoren. Allesamt verlässliche Charaktere, sagt er. Genau wie Carlo Menzinger, der Kripomann vom Münchner „Tatort“.