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Imagepolitur für HolzblasinstrumentMission Blockflöte

Die Celler Traditionsfirma Moeck versucht, das verstaubte Image ihres Instruments mit Hilfe von "Blockflötentagen" aufzupolieren. Firmeninhaberin Sabine Haase-Moeck glaubt dennoch nicht an große Zuwachsraten.

150.000 Flöten jedes Jahr: Im Celler Werk des Herstellers Moeck. Bild: dpa

CELLE taz | Sabine Haase-Moeck ist misstrauisch. "Sie wollen für die taz über unseren Flötenworkshop berichten? Wollen Sie sich etwa über die Teilnehmer lustig machen?" Die Inhaberin der Firma Moeck, des nach eigenen Angaben weltweit größten Herstellers von Qualitätsblockflöten aus Holz, kennt viele Zeitungsartikel, in denen die leidvollen Erlebnisse der Autoren mit Flöten durchschimmern. "Viele müssen früher regelrecht gequält worden sein", meint Haase-Moeck. Für die meisten wäre es wohl besser gewesen, wenn sie in der Schule nicht zum Flötenspielen gezwungen worden wären.

Um dem schlechten Image der Blockflöte entgegenzusteuern, veranstaltetet die Firma Moeck zusammen mit der Kreismusikschule Celle so genannte Blockflötentage. Fast 100 Laienmusiker aus ganz Deutschland kamen so am Wochenende zu "Folk around the world - Traditionals mit Groove & guter Laune" in die niedersächsische Fachwerkstadt Celle, meist mit mehreren Blockflöten - von der aus dem Schulunterricht bekannten Sopranflöte bis zum körpergroßen Subbass.

"Sie müssen die Düse geben und richtig kräftig reinblasen", feuert Kursleiterin Catrin Anne Wiechern die Spieler an, als sie das hebräische Volkslied "Hava Nagila" proben. Die Kursleiterin drückt aufs Tempo, um dem Lied den richtigen Schwung zu geben. "Sie dürfen jetzt richtig schmutzig spielen", ermutigt Wiechern das Orchester aus Sopran-, Alt-, Tenor und Bassflöten. Schmutzig spielen - das bedeutet singen, fast spucken, um einen perkussiven Ton zu erzeugen. Am Ende steigert sich das Stück, wird immer lauter und schneller. Für die Kursleiterin noch nicht schnell genug. "Es muss alles außer Rand und Band sein. Bei uns klingt das noch zu deutsch. Stehen Sie doch mal auf."

Die Firma Moeck

Ist die wohl bekannteste Blockflötenfabrik Deutschlands.

1930 beginnt Hermann Josef Moeck sen. in Celle mit dem Vertrieb von in Sachsen hergestellten Blockflöten.

Nach dem Krieg baut Moeck in Celle eine eigene Blockflötenproduktion auf.

Heute fertigen 64 Mitarbeiter jährlich 140.000 Blockflöten, die zu 60 Prozent in Deutschland verkauft werden.

Außer Flöten vertreibt die Firma Moeck auch Noten sowie die Fachzeitschrift Tibia. Magazin für Holzbläser.

Die Hölzer für die Blockflöten stammen aus Süddeutschland, Österreich, Süd- und Mittelamerika, Nord- und Ostafrika sowie Südostasien.

Für Anfänger bietet Moeck auch Modelle aus Spezialkunststoff und aus einer Kombination von Kunststoff-Kopfstück und Holz-Unterstück an.

Die 90 verschiedenen Modelle werden ausschließlich über den Fachhandel verkauft.

Der Preis liegt für eine Anfängerflöte bei 25,50 Euro, der Subbass als teuerstes Modell kostet 3.580 Euro. JOG

Erst sprechen alle mit Betonung "Dam-da-ja-tschaka", dann versuchen sie diese Laute beim Spielen mit einfließen zu lassen. Der Schwung aus dem Körper soll sich auf die Musik übertragen, das Vorbild ist eher die Querflöte von Ian Anderson aus "Locomotive Breath" als das Blockflötenquartett aus unseligen Schulzeiten.

Gundula Glaser gefällt das. Sie spielt in einem Blockflötenquartett alle zwei Wochen vor allem Barockmusik, aber auch irische Melodien oder Tango. "Hier lernt man neue Stücke und Techniken, das ist toll. Außerdem macht das Musizieren mit so vielen Menschen großen Spaß", sagt die 71-Jährige.

Als Kind hatte sie Blockflöte eher mit Widerwillen gelernt, erzählt Glaser. Als ihre Kinder nicht mehr zuhause wohnten, holte sie das Instrument wieder aus der Schublade, in der es bis dahin schlummerte. Beim Workshop hat Glaser vier Blockflöten in unterschiedlichen Stimmlagen dabei, alle aus Ahorn. Die erzeugen einen eher weichen Klang. "In unserem Quartett haben alle Ahornflöten, das passt gut zusammen. Außerdem brauche ich dafür nicht so viel Druck beim Spielen", sagt sie.

Es gibt auch Blockflöten aus Buchsbaum, Rosenholz, Palisander oder Ebenholz, mit denen härtere Töne gespielt werden können und die eher von Profimusikern genutzt werden. Glaser tritt ab und zu bei Kirchenkonzerten auf, doch viel wichtiger ist ihr etwas anderes: "Wenn ich mich aufs Spielen konzentriere, vergesse ich alles um mich rum." Danach fühle sie sich befreit.

Beim Flötenworkshop bleiben die Frauen fast komplett unter sich. Kursteilnehmerin Ruth Arend erklärt sich das mit den eher hohen Tönen der Standard-Blockflöte, die ja auch nur ein kleines Instrument sei. "Männer bevorzugen wohl eher größere Blasinstrumente wie Posaunen", vermutet die Psychotherapeutin, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte - ihre Patienten sollen nichts von ihrer Freizeitbeschäftigung erfahren.

Bekannten und Freunden verheimlicht sie ihr Hobby dagegen nicht. "Da ernte ich oft ein mildes Lächeln. Aber es ist einfach eine nette Art, ohne wahnsinnig großen Aufwand mit anderen schöne Musik zu machen."

Über das Internet hat die 53-Jährige, die früher Querflöte gespielt hat, in Hamburg schnell Gleichgesinnte gefunden, mit denen sie sich regelmäßig zur Hausmusik trifft. Sie spielen Bach, Händel, Mozart, aber auch traditionelle Melodien. "Für mich ist das Tiefenentspannung pur", sagt die Therapeutin.

Um das traditionelle Blockflöten-Repertoire zu erweitern, werden bei dem Workshop in Celle auch lateinamerikanische Klassiker wie "La Cucaracha" und "Guantanamera" eingeübt. "Die ersten drei Achtel von La Cucaracha müssen Sie sehr deutlich artikulieren", lautet das Kommando von Susanne Hochscheid, die den Workshop mit Wiechern leitet.

Hochscheid ist Mitglied des Flautando Köln, einem der erfolgreichsten professionellen Blockflötenensembles weltweit. "Im zweiten Teil des Stücks geht die Sonne auf, da dürfen sie dann alle singen, schwelgen, strahlen", ermutigt Hochscheid die von ihr dirigierten Musikerinnen.

Der in Frankfurt am Main lebende Kubaner Aldo Vazquez Castellanos hat seine Frau zum Workshop begleitet. Er ist Profimusiker, spielt als Bassist in verschiedenen Jazzgruppen und hat in seinem Leben noch nie so viele Blockflötenspieler auf einem Haufen gesehen. "In Kuba sind alte Flöten verbreitet, die auch auf der Straße gespielt werden. Blockflöten kennt man dort nicht", sagt er.

Wenn Kubaner Guantanamera auf die hier gespielte Art hören würden, dann käme ihnen das wohl komisch vor, vermutet Castellanos. Es sei schwer, mit der Blockflöte das Gefühl zu vermitteln, das dieses Stück in Kuba auslöse.

In Jazzformationen sei die Blockflöte selten, sie passe aber ganz gut zu deren typischen Klang, meint der Kubaner. Das findet auch Kursleiterin Wiechern, die hauptamtlich die Kreismusikschule Celle leitet. Sie spiele selbst immer wieder auf Jazzsessions mit, sagt Wiechern. Anfangs sei die Skepsis der anderen Musiker groß, "aber am Ende wollen sie meistens, dass ich bald wiederkomme". Allerdings brauche man, um neben einem Saxophon überhaupt gehört zu werden, einen Verstärker.

"Es bringt nicht viel zu reden, man kann Menschen nur durch das Beispiel überzeugen", sagt Wiechern. Beim letzten Blockflötenworkshop hat sie versucht, den Teilnehmerinnen den swingenden Bigband-Sound beizubringen. Bei dem Stück "Subway"des Komponisten Allan Rosenheck hätten die Bassflöten das stoische Rattern der der Bahnschwellen übernommen, während die Sopranflöten das Quietschen der Bremsen im U-Bahn-Tunnel simulierten, berichtet Wiechern.

Trotz aller Bemühungen ist Firmeninhaberin Haase-Moeck nur verhalten optimistisch, was die Zukunft der Blockflöte betrifft. Sie sei ein handliches Instrument, koste nur rund 30 Euro und sei leicht zu erlernen - dennoch diene sie meist nur dem Einstieg, um später ein "richtiges Instrument" zu lernen. "Die Blockflöte kann sehr schön, aber in den falschen Händen auch sehr piepsig klingen", gibt Haase-Moeck zu.

Derzeit gebe es vermehrt Flötenklassen an den Schulen, insgesamt aber sei keine große Steigerung zu erwarten, glaubt die Flötenfabrikantin. "Letztlich sind es vor allem die Älteren, die Blockflöte spielen. Das ist ein fester Kreis, der sich nicht erweitern wird."

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