piwik no script img

Im Zweitberuf Volksheld

■ Ein Klassiker aus den Kindertagen des Fernsehens: "Zorro" reitet wieder gegen Schinder, Despoten und Tyrannen (immer an Wochentagen, 16.25 Uhr, RTL 2)

„Tief in der Na-a-acht, wenn der Vollmond erwa-a-acht, kommt ein Reiter, der heißt Zorro...“ Inbrünstig und aus tiefster Kehle besingt der Chor stimmgewaltiger Männer den maskierten Helden, der soeben mit flinker Klinge einen zettförmigen Schmiß ins Wams beleibter Schergen schlägt und den Steckbrief mit seinem Konterfei zerfetzt. Zorro reitet wieder und kämpft unerkannt gegen Schinder, Despoten und Tyrannen – so wie er es immer getan hat, seit Johnston Mac Culley 1919 den Fortsetzungsroman „The Curse of Capistrano“ veröffentlichte, der eine Welle von Zorro-Filmen zur Folge hatte. Seither haben viele Leinwandidole den verwegenen Helden verkörpert, Douglas Fairbanks natürlich, Tyrone Power, George Hamilton, auch Pierre Brice und sogar Alain Delon.

In der gleichnamigen RTL 2- Serie trägt Guy Williams die markante Augenmaske. Die Sendereihe stammt aus den Disney Studios, wurde erstmals in den Jahren 1957 bis 1959 gesendet und ist heute ein klassisches Beispiel für die Serienproduktion der frühen Fernsehjahre. Der „Zorro“ des Jahrgangs 57 steht noch ganz in der Tradition der Kinoserials. Diese Fortsetzungsfilme wurden zumeist als Zugabe zu einem attraktiven Hauptfilm gezeigt. Ihre Macher mußten mit Minimalbudgets auskommen und waren gewöhnt, höchst effizient zu arbeiten. Vermummte Gestalten wie „The Lone Ranger“, „The Phantom Rider“ oder eben „Zorro“ erfreuten sich bei den Produzenten der B-Ebene besonderer Beliebtheit, denn sie erlaubten die Reduzierung der Produktionskosten, indem man den teuren Star nur die Szenen ohne Maske spielen ließ und ihn ansonsten durch billigere Doubles ersetzte. Das Serial „Zorro Rides Again“ (1937) beispielsweise verzeichnete als Hauptdarsteller den Schauspieler John Carroll, Zorros Larve aber trug der heute legendäre Stuntman und spätere Regisseur Yakima Canutt.

Hinter dem Namen „Zorro“ – spanisch für Fuchs – verbirgt sich der Edelmann Don Diego de la Vega. Im Jahr 1820 kehrt er aus Spanien in seine kalifornische Heimat zurück und wird dort Zeuge, wie der Militärkommandant Monastario die örtliche Bevölkerung unterdrückt. Die Armee ist ein übermächtiger Gegner, folglich greift Don Diego zu einer List: „Wenn du nicht das Gewand des Löwen tragen kannst, wähle das des Fuchses“. So mimt Don Diego tagsüber den Feingeist und interessiert sich, zur grenzenlosen Enttäuschung seines auf Widerstand erpichten Vaters, scheinbar ausschließlich für Literatur, Kunst und Musik. Nach Einbruch der Dunkelheit aber streift er die Tarnkappe über und zieht hinaus in die Amerikanische Nacht, um dem verbrecherischen Monastario manch tollkühnen Streich zu spielen, wobei ihm seine außerordentlichen athletischen Begabungen mehr als einmal zugute kommen. An den Orten seiner glorreichen Taten hinterläßt der geheimnisvolle Reiter sein Erkennungszeichen: Z für Zorro – ein Name, der Monastarios Häscher erschauern läßt, derweil die Menschen guten Willens den unbekannten Wohltäter als Volkshelden feiern.

Die Machart von „Zorro“ entspricht der vieler früher Fernsehserien. Unbekümmert arbeiteten die am Serial geschulten Routiniers hinter der Kamera auf ein Höchstmaß an Unterhaltung hin. Die Handlung ist aktionsreich, turbulent und wird schwungvoll wegerzählt, es gibt Slapstickeinlagen, zirzensische Kabinettstückchen und vor den Werbepausen gelegentlich veritable Cliffhangerchen. Innerhalb der strukturell bedingten Limitierungen gelangen den Regisseuren sogar ein ums andere Mal originelle und witzige Passagen, zumal dem Helden auch ein gehöriges Maß an Selbstironie zugebilligt wurde und mit Guy Williams ein Schauspieler zur Verfügung stand, der die Rolle des Tausendsassas mit Charme, Chuzpe und einer gewissen Schalkhaftigkeit auszufüllen vermochte. So verwundert kaum, daß seinerzeit vor allem jugendliche Zuschauer zu den größten Fans des maskierten Rächers zählten. Harald Keller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen