wortwechsel
: Im Zweifel für die Kunst: Was darf Satire?

Meinunungsfreiheit ist ein hohes Gut der Demokratie. Aber hat unsere Autor:in Hengameh Yaghoobifarah mit der „Müll-Kolumne“ Grenzen überschritten?

Foto: Karsten Thielker

Kolumne: „ACAB: All cops are berufs­unfähig“, taz vom 15. 6. 20

„Kartoffelernte“

Zunächst ganz klar und deutlich: Es gibt keinen Grund, den Polizeientsorgungsartikel zu verbieten oder eine Anzeige zu erstatten – damit läuft Seehofer gerade eh gegen die Wand. Meine Genervtheit mit der Habibitus-Kolumne gründet aber auch tiefer als das Problem mit der Müll­entsorgung. Stetig geht es hier um „die“ Deutschen, „die“ Kartoffeln, „die“ Polizisten und so weiter.

Mag ja einmal witzig sein, klingt aber in der Wiederholung ermüdend und halt schlicht nach Hass, für den die taz in dieser Form eher nicht die Plattform sein müsste. Sven Gormsen, Tübingen

Satire oder Meinung?

Ich wusste nicht ob dies eine Satire gewesen war, oder ob dies jetzt die wirkliche Meinung der Autorin gewesen ist. Nun ja, ich finde es gut, dass es innerhalb der taz ebenfalls unterschiedliche Meinungen darüber gibt und dies auch öffentlich und somit transparent dem Leser mitgeteilt wird. Meine heutige Berufswahl, wäre aber bestimmt nicht, zur Polizei zu gehen, mit den ganzen Anfeindungen, schlechter Bezahlung, familienunfreundlichen Arbeitszeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit, den Dienst zu quittieren wegen Burn-out-Syndrom. Ich selbst arbeite ebenfalls in einem Beruf (Krankenpflege), der nicht ganz einfach ist. Michael Skawran, ­Ludwigshafen

Gewaltproblem

Geht es ab jetzt nur noch um die Pressefreiheit, journalistische Freiräume, das intellektuellen Für und Wider? Oder geht es nur noch um den ermüdenden Rechts-links-Diskurs, ausgelöst dank Herrn Seehofers durchsichtiger Affekthascherei? Oder geht es hier nicht vielmehr um ganz reale, bedrückende soziale Problemlagen? Es geht um die pure Gewalt: ganz konkrete Gewalt gegen Polizisten und Passanten, und ganz konkret um polizeiliche Gewalt gegen Menschen, ob nun deutsch oder migrantisch, jung oder älter, schwarz oder weiß. Das Hauptthema ist doch viel zu ernst und zu massiv, um sich darüber, wenn auch nur wortgewandt, lustig zu machen: Die Gewalt auf der Straße – ausgeübt von und gegen Polizisten. Schreiben Sie darüber! Aber nicht immer nur in einer Grundhaltung, die sich in Spott und Hohn ergießt. Christoph Weinmann, Esslingen

Aufmerksamkeit

Die Kolumnen der Autor:in habe ich nach zwei Versuchen nicht mehr gelesen.

Obwohl ein weißer heterosexueller Boomer, fand ich ein früheres Ich von mir in der Attitüde der Autor:in wieder, nämlich mich mit fünfzehn bis siebzehn Jahren, als die Welt sich noch säuberlich in Gut und Böse teilen ließ und die eigenen Probleme die wichtigsten in diesem Universum waren. Daher fand ich die Beiträge der Autor:in von Grund auf langweilig, ausgerechnet wegen ihrer offensichtlich-durchsichtigen Provokation, die ihr allerdings diesmal mit „All Cops sind ­berufsunfähig“ eine breite Aufmerksamkeit verschafft hat. Michael Peter, Hamburg

Viel Lärm

Normalerweise freue ich mich, wenn in unserer Provinzzeitung mal die taz zitiert wird. Darüber, was gestern in der Böhmezeitung über die taz zu lesen war, konnte ich mich nicht freuen.

Menschen mit Müll gleichzusetzen – das ist auch in satirischer Verpackung ungenießbar. Die Autorin begibt sich mit einer klischeetriefenden Verallgemeinerung (all cops …) auf die Ebene von Populist_innen jedweder Couleur, die mit ihren 280-Zeichen-Posts simplifizierende (Un-)Wahrheiten und schrille Provokationen als Antwort auf herausfordernde Fragen in die Welt hinauszwitschern. Eines jedenfalls ist auch ihr gelungen: Sie hat jede Menge Aufmerksamkeit für ihre Person generiert. Tröstlich, dass die taz nicht auf die Entgleisung von Hangameh Yaghoobifarah reduziert wurde. Die ersten reflexhaft überschießenden Reaktionen hatte ja zum Glück Horst Seehofer bereits abgearbeitet. Eigentlich wollte ich zum Aufmerksamkeitsgewinn für die Kolumne vom 15. Juni nichts beisteuern. Und tue es nun doch. Sabine Dwenger, Soltau

Nur ein Arbeitsplatz

Ich finde die Diskussion um die Kolumne total übertrieben. Sicherlich kann man über Geschmack immer streiten und auch darüber, ob die Satire denn auch gelungen ist. Doch ich finde es schon gefährlich, wenn man in der Öffentlichkeit Zitate immer nur verkürzt wiedergibt und es dann letztendlich total verfälscht wird. Denn niemand hat behauptet, dass die Polizei auf dem Müll entsorgt werden soll, wie es oft verbal aus rechtsradikalen Kreisen zu vernehmen ist. Die taz in einen solchen Zusammenhang zu stellen ist schon verwerflich. Es ging lediglich darum, unfähige Polizisten lieber auf der Müllhalde arbeiten zu lassen, statt sie auf die Menschheit loszulassen. Und daran kann ich beim besten Willen nichts finden!

Thomas Henschke, Berlin

Treffende Kolumne

Ich finde die Kolumne ausgesprochen treffend. Wir haben ein Rassismusproblem, und wie ihr selber ganz richtig festgestellt habt, betrifft dies die ganze Gesellschaft, also auch die Polizei. Insofern finde ich es richtig, dies auch breit zu besprechen und eben auch mit dem Mittel der Satire. Hengameh Yaghoobifarah hat es gut gemacht.

Martin Schultze, Lintzel

Souveräne taz

Sowohl Seehofers Angriff auf die Meinungsfreiheit, als auch Yaghoobifarahs Satire (?) sind schockierend, besonders, wenn man beide als Stellvertreter ihrer Institutionen versteht.

Seehofer missbraucht seine Position, um die Meinungsfreiheit anzugreifen, Yaghoobifarah missbraucht die Pressefreiheit, um eine ganze Personengruppe abzuwerten.

Die taz selbst stellt sich ihrer Verantwortung als Organ der Pressefreiheit, mittlerweile absolut verantwortungsbewusst und beispielhaft, indem sie das tut, was die Meinungsfreiheit ermöglichen soll: Sie regt einen echten gesellschaftlichen Diskurs an und bereichert den Marketplace of Ideas!

Lena Anne Boetius, Frankfurt a. Main

Applaus?

Seit ich denken kann, begleitet mich die taz. Zuerst im Haushalt meiner Eltern, in meiner ersten WG hatte ich selber ein Abo. Ich schätze so viele Dinge an der taz, allerdings haben mich die Ereignisse in der Redaktion der taz seit letzter Woche erschüttert. Dabei war es gar nicht mal diese unsägliche Kolumne, sondern die Tatsache, dass anscheinend ein größerer Teil eurer Belegschaft der Meinung ist, dass das diskussionswürdig war, was Hengameh Yaghoobifarah geschrieben hat. Hengameh Yaghoobifarah hat der „Black Lives Matter“- Bewegung einen echten ­Bärendienst erwiesen. Statt über rassistische Polizeigewalt reden jetzt alle über diesen Text. Doch den größten Ärger verursacht bei mir der Eindruck, dass dieser Text förmlich danach schreit, als Skandal wahrgenommen zu werden und der Yaghoobifarah Clicks zu verschaffen. Als Musiker weiß ich um die Verfüh­rungskraft der Öffentlichkeit und des Applauses. Georg Stucke, Wuppertal

Keine Satire

obwohl ich ein Jahrzehnt als Kabarettist tätig war und seit Jahrzehnten taz-Leser bin, habe ich nicht erkannt, dass diese Kolumne eine Satire sein sollte. Satiren, die man nur als solche erkennt, wenn ein Schild „Achtung, Satire!“ davorsteht, sind misslungen, sind keine Satire und sollten nicht veröffentlicht werden. Eine Strafanzeige ist deswegen nicht nötig, wohl aber eine deutliche Missbilligung. Diese spreche ich hiermit aus.

Heiner Jüttner, Aachen