■ Berichterstattung über den PDS-Parteitag: Im Trott der Mainstream-Medien
betr.: „PDS: Ein Schritt nach vorn in den Abgrund“, „Politkommissare auf Ecstasy“, „Reformer ohne Mehrheit und Mikrofon“, „Auf dem Weg ins historische Nichts“, taz vom 14. 10. 02
Wer diesen Parteitag objektiv verfolgte, sich mit den Positionen der vielen jungen und jugendlichen Gäste und Delegierten auseinander setzte, konntee sich wohl nicht ganz dem Eindruck entziehen, dass sich hier eine sozial bewegte, gesellschaftskritische Kraft positionierte, die in Westdeutschland einstmals durch die Grünen vertreten, spätestens mit dem Eintritt der grünen Partei in Jugoslawien- und Afghanistan-Krieg aber heimatlos wurde. Der Totengesang von Jens König auf die PDS mag wohl eher Wunschdenken als Realität darstellen. Je mehr es der PDS gelingt, die heimatlos gewordenen Friedens- und Gerechtigkeitsbewegten in diesem Lande zu gewinnen, je dauerhafter wird sie sich als gesamtdeutsche sozialistische politische Kraft und Partei etablieren können.Was Jens König als gefühlsbetonten Sozialismus diffamiert, ist die konsequente und bewusste Absage der PDS an Manchesterkapitalismus und Neoliberalismus. Mag dies in den Konzernzentralen ein Grund für ihre Überflüssigkeit sein, gibt es Grund zur Erwartung, dass die Menschen dies verstärkt als Qualitätsmerkmal erkennen werden. G. G., Hannover
Jens König, jenem sattsam bekannten taz-PDS-Kommentator, fällt es immer schwer, demokratische Mehrheiten von Parteitagen zu akzeptieren. Wer es eine schöne Zeit fand, Sozialisten „zwölf Jahre geärgert“ zu haben, wird von der taz als „Reformer“ bezeichnet. Davon haben wir in den letzten Jahrzehnten genug gehabt: Die SPD wurde von Wehner versaut, die Grünen von Fischer und Co, und jetzt ist es bei der PDS in Münster und Gera nicht geglückt. Und das Geschrei der taz ist groß. Aber bitte: Ist das wirklich eine Reform, wenn die PDS sozialdemokratisiert wird?
Wenn die taz wirklich ernsthaft Kongresse zum Thema veranstaltet „Wie wollen wir leben?“, dann sollten auch solche Möglichkeiten einer sozialistischen Alternative wenigstens eine ernsthafte Berichterstattung bei der taz finden. […]
HARTMUT BERNECKER, Bietigheim-Bissingen
Ich habe mich schon oft geärgert über euch, wie es sich bei einer guten, alten Tante gehört. Aber diese Berichterstattung über den PDS-Parteitag setzt vielem die Krone auf. Ich erfahre nichts. Was will Gabi Zimmer? Gefangene machen oder Dieter Dehm vor Kraft kaum laufen lassen? Und die Reformer um Dietmar Bartsch (verantwortlich immerhin für diese PDS-Quatsch-Plakate wie „Arbeit soll das Land regieren“) sind jetzt die Guten? […]
NORBERT HACKBUSCH, Hamburg
So sehr ich die Schreibe von Jens König sonst mag, hier greift er daneben. Die vielen Adjektive sind nervig. Schlimm ist aber, dass es mehr Stimmung als Information gibt. Die Tatsache, dass die Reformer gar nicht erst angetreten sind, muss ich dem ND entnehmen. […] Gerade beim Thema PDS brauche ich die taz, denn wer sonst soll mich objektiv informieren? MICHAEL ULEX
Ich hätte mir bei den vier Artikeln zum PDS-Parteitag doch wirklich was Besseres vorgestellt als einfaches Drauflostrampeln im Trott der „Mainstream“-Medien. […]
Als linkere SPD macht sich die PDS sicher bedeutungslos! […] So was wäre kein Gesicht, mit dem diese Partei neuen Zulauf bekommt. Vielmehr wäre das dann der Weg in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit! […] Sie kann doch nur als klare „sozialistische Opposition“ überleben, denn für „Mittelinke“ gibt es nun mal bereits zwei größere Optionen. Vielleicht hätten Sie beide ja, wäre die Entscheidung für die „Reformer“ ausgefallen, aufgrund genau dieser Argumente, das kommende Dahinscheiden der Partei prognostiziert.[…] BENJAMIN RISCHER, München
Der Artikel bietet viel hämische Polemik, diverse Zitate der Verlierer des innerparteilichen Richtungskampfes, aber wenig Informationen darüber, worum es in Gera wirklich ging.
Warum verwandelt sich die PDS mit der Wiederwahl von Gabi Zimmer zur Parteivorsitzenden, der Zustimmung zu Zimmers Initiativantrag und der Abwahl von Dietmar Bartsch, Petra Pau und anderen so genannten Reformern aus dem Parteivorstand in eine kommunistische Sekte? Wo bitte finden sich in der Rede, dem Antrag oder irgendeiner sonstigen Äußerung von Gabi Zimmer „die geistige Welt und der Marxismus der DDR“? Man sucht danach vergeblich. Stattdessen findet man ein Bekenntnis zur Regierungsbeteiligung als einem Instrument, sozialistische Politik durchzusetzen, zusammen mit der Aufforderung, das dann aber auch zu tun und Macht nicht als Selbstzweck zu betrachten. Das ist angesichts der Wahlniederlage legitim, schließlich macht der Demoskop Michael Chrappa Verlust an eigenem Profil für einen Teil der PDS-Niederlage verantwortlich.
Überhaupt verschweigt König geflissentlich Tatsachen, die nicht in sein PDS-Bild passen. So hat sich Zimmer im Rahmen der Debatte um das neue Grundsatzprogramm mit Mitgliedern der Kommunistischen Plattform heftig gestritten, und den Brie-Klein-Brie-Entwurf gegen die Orthodoxen als Grundlage für die weitere Diskussion durchgesetzt. Und der „ehemalige SPD-Linksaußen“ und neue stellvertretende Parteivorsitzende Dieter Dehm ist Gründungsmitglied und Vorsitzender des PDS-nahen Unternehmerverbandes OWUS und somit wohl kaum dem orthodoxen Lager zuzuordnen. Des Weiteren war der Führungsstreit der PDS mitten im Wahlkampf vom „Reformer“ Dietmar Bartsch vom Zaun gebrochen worden. Seine Befürwortung einer wie auch immer gearteten Unterstützung einer rot-grünen Koalition widersprach nicht nur der Meinung von Zimmer, sondern auch Parteitagsbeschlüssen. Dieser Streit hat die PDS Stimmen gekostet. Dafür hat Bartsch die Quittung bekommen.
ANSGAR RANNENBERG, PDS-Kreisverband Wolfsburg
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