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Im Tiefflug in die Katastrophe

■ Innerhalb von 24 Stunden stürzten zwei Düsenjäger ab - jeweils in unmittelbarer Nähe von AKWs

Kaum hatte man sich von der Nachricht erholt, einem Super–GAU durch den Mirage–Absturz nahe OhuI entgangen zu sein, kam die nächste Schreckensmeldung: In Forst bei Karlsruhe stürzte ein amerikanische

Landshut (taz) - Am Samstag werden in den Dörfern die Straßen sauber gefegt - vor Ostern sowieso. Einen Tag nach dem Absturz des französischen Mirage– Kampfflugzeugs in unmittelbarer Nähe der Kernkraftwerke Isar1 (KKI1) und Isar2 (KKI2) sowie des zum Abriß bestimmten AKW Niederaichbach und des NATO– Munitionsdepots Ruhmannsberg ist in den umliegenden Ortschaften der Alltag eingekehrt - beim Straßenkehren. Von Betroffenheit oder gar Angst keine Spur, obwohl die Schneise, die die Mirage in den Wald geschlagen hat, exakt in Richtung der Atommeiler liegt. „Als ich die Dorfsirene gehört habe, dachte ich, jetzt ist was passiert. Als dann das Militär gekommen ist, wußte ich, jetzt ist was Schlimmes passiert.“ Aber an die AKWs in Sichtweite hat die 60jährige Rentnerin, die die Straße vor ihrem Haus in Niederaichbach fegt, überhaupt nicht gedacht. „Die halten das aus“, erklärt sie resolut, sie habe sich an die AKWs gewöhnt. Eine Mutter, die mit ihrem Sohn den Ostereinkauf erledigt, bestätigt diese Meinung. „Die AKWs sind sicher“, das habe ihr Mann auch erzählt und der müsse es ja wissen, der arbeitet im KKI1. Rechtsanwalt Thomas von Taeuffenbach, seit Jahren im Landshuter „Bürgerforum gegen Atomkraftwerke“ aktiv, überraschen solche Reaktionen nicht. „Die direkten Anwohner haben sich mit den AKWs abgefunden, Negatives wollen und können sie gar nicht hören - sonst müßten sie für sich Konsequenzen ziehen.“ In Landshut, fünf Kilometer von den Atommeilern entfernt, sei das Klima jedoch völlig anders. Die Veranstaltung „Künstler gegen Atom“ am gleichen Abend wurde zur Informationsveranstaltung umfunktioniert. Übereinstimmung herrschte darin, daß Tiefflieger im Gegensatz zu den offiziellen Verlautbarungen aus dem Verteidigungsministerium den Kühlturm als Orientierungspunkt und Wendemarke nutzen. Überflüge weit unter der zulässigen 150 Meter Höhe seien an der Tagesordnung. Schon am 16.September 1979 ließ eine Phantom beim Simulieren eines Angriffs die Scheiben im Werkstattgebäude vom KKI1 bersten. Sofort nach dem Absturz erinnerte Landshuts Oberbürgermeister Deimer in einer Protestnote an Verteidigungsminister Wörner, daß die Sicherheitshülle vom KKI 1, wie bei allen in den siebziger Jahren gebauten AKWs, lediglich die „Aufschlagpressung eines Starfighters berücksichtigt“. Gegen Phantom–, Mirage– oder gar Tornado–Jäger sei der Starfighter jedoch „ein Fliegenschiß“. Der 1,8 Meter dicke Stahlbetonmantel des KKI2, das Mitte Januar 1988 seine Betriebsgenehmigung erhalten hat, soll angeblich den Aufprall eines 20 Tonnen Militärflugzeuges mit 775 km/h aushalten. Nur nach massivem Protest der Stadt Landshut und der Bürger konnte diese Auflage damals im Erörterungsverfahren durchgesetzt werden. Der 1974 nach nur 18,3 Vollasttagen abgeschaltete und zum Abriß bestimmte Reaktor Niederaichbach ist jedoch gegen derartige Abstürze überhaupt nicht geschützt. „Keine Gefahr“ tönt es aus dem Bayerischen Umweltministerium, denn die Brennstäbe seien dort längst entfernt. Doch von dem übrigen Inventar in Niederaichbach wird ebensowenig geredet, wie von dem nachträglich 1979 ins KKI1 eingebauten Kompaktlager, in dem sich immerhin 255 Kubikmeter unkonditionierte und 1.013 Kubikmeter konditionierte Abfälle befinden. Das Kompaktlager soll nicht einmal durch die Betonummantelung geschützt sein. Gemeinsam mit Landshuts OB Deimer fordert der Bürgermeister der Gemeinde Essenbach, zu derem Gebiet die AKWs gehören, die Einstellung der Tiefflüge. Josef Neumeier (CSU), seit 17 Jahren im Amt, hält die Atomkraft für unverzichtbar. Man tue schließlich alles für deren Sicherheit. Warum er dann trotzdem mit dem Argument, „mit einer atomaren Katastrophe spielt man nicht“, gegen die Tiefflüge ist, bleibt sein Geheimnis. „Das Restrisiko reicht uns“, betont er. Deshalb habe er schon Mitte Februar eine Resolution verfaßt, die sich insbesondere gegen die von der bayerischen Staatsregierung in Erwägung gezogene Ausweisung des Raumes Landshut, Regensburg, Deggendorf zur Tiefstflugzone wendet. Dann könnten die Kampfmaschinen bis auf 75 Meter heruntergehen. Die Höhe des Kühlturms beträgt schon allein 165 Meter. Aufgrund solcher Überlegungen hat sich in Landshut die Initiative „Bürger gegen Tiefflieger“ mit 150 Mitgliedern gegründet. Unterstützung erhalten die Landshuter Tieffluggegner von ihren mittelfänkischen Kollegen. Christoph Bornebusch, Sprecher von „Bürgerprotest gegen Tiefflug“, will endlich das Tabu der vermeintlichen militärischen Notwendigkeit der Tiefflüge brechen. Er spricht von „Imponiergehabe und Prestigedenken“ der Luftwaffe und ihrer Piloten als Motiv für Tiefflüge. Trotz Verbots werde z.B. auch das AKW Grundremmingen als Wendemarke benutzt. Am 9.April werden sich die bayerischen Tiefflug– Initiativen in Nürnberg zusammenschließen. Bernd Siegler

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